Die schwarzen Raender der Glut
tippt mit knochigen großen Fingern die Nummer des Polizeireviers Wintersingen ein und teilt mit, was er vorgefunden hat.
»Und schickt auch einen Abschleppwagen vorbei. Das kann hier so nicht bleiben.«
Dann gehen Seifert, Marzens Erwin und Felix zurück zum Ford und steigen ein und fahren weiter, bis sie zur Einmündung des Wanderwegs kommen. Dort halten sie an, Marz holt Spaten und Werkzeugkasten aus dem Kofferraum, Seifert hängt sich ein zusammengerolltes Stahlseil über die Schulter, und Felix läuft ihnen voran, weil er den Weg zum Felsen und ins Tal kennt.
Wieder ist es ein schöner Sommermorgen geworden, die Luft ist noch frisch, durch die Bäume am Albtrauf lässt sich tief und dunstig das Unterland ahnen, Felix schnappt nach einer verirrten Fliege und bleibt dann auf dem Felsen stehen, weil es immer so ist, dass man auf dem Felsen erst eine Weile stehen bleibt, und äugt aus dunklen schwersichtigen Hundeaugen
in die blauklare Ferne oder ins nächste Dorf hinunter, wo es vielleicht eine läufige Hündin gibt.
Diesmal aber legt Jonas Seifert keine Andachtspause ein, die beiden Männer steigen steifbeinig über die Absperrung, Felix läuft drunter durch und drückt sich an den Männern vorbei und macht sich gemsenartig, mit hochgestrecktem Hinterteil, an den Abstieg auf dem vom Regen abschüssig gespülten Franzosensteig. Vor einer Abzweigung verharrt er kurz und sieht sich um, bis er aus Seiferts Miene entnimmt, dass sie heute weiter ins Tal gehen.
Er läuft einige Meter weiter und bleibt erneut stehen. Auf seinem Rücken richtet sich ein Streifen Fell auf.
»Ruhig, Felix«, sagt Seifert.
Felix knurrt. Seifert kommt heran. Rechts von ihm ist der nackte verwitterte Fels, links haben sich Krüppelkiefern in Fels und Erdreich gekrallt. Der Franzosensteig ist nichts weiter als ein schmales, zwischen Fels und Garnichts ins Tal führendes Band. Unter ihnen verheißen Baumwipfel und grüne Äste lügnerisch einen weichen Fall.
Marz macht sich daran, einen Haken in den Fels zu schlagen, damit man das Stahlseil verankern kann. Seifert betrachtet den Steig. Er stellt fest, dass er nicht der Erste ist, der über die Absperrung gestiegen ist. Im Erdreich zu erkennen sind Spuren von kräftigen, genagelten Schuhen. Und von glatten, spitz zulaufenden. Spuren von Halbschuhen, womöglich noch mit Ledersohle. Seifert schüttelt den Kopf und geht langsam weiter, bedächtig Schritt für Schritt, immer erst Fuß fassend, ehe der andere nachgezogen wird. Felix folgt zögernd, das Fell noch immer gestellt, witternd.
Seifert kommt zu einer Biegung, und vor sich sieht er eine Spur, die ihm überhaupt nicht gefallen will. Er zögert, dann ruft er Marz.
»Schau dir das an«, sagt er, »merk es dir, und tritt nicht drauf.« Dann machen beide einen Schritt vor an den Rand, dorthin, wo die merkwürdige Spur aufhört. Es ist eine Stelle, von der aus man weit nach unten sehen kann. Ganz unten, zu
Füßen der Bäume, liegt etwas, das von oben so aussieht, als sei es noch einigermaßen ganz. Nur ein bisschen verdreht, als hätten die in einem dunklen Anzug steckenden Arme und Beine irgendjemandem nicht gefallen und er hätte sie ein wenig zurechtbiegen wollen. Seifert wirft einen strengen Blick auf Marz. Der sagt lieber gar nichts.
Unvermittelt stößt Felix ein Jaulen aus. »Platz«, befiehlt Seifert und steigt entschlossen den letzten Teil des Steiges hinab. Von dem Weg ist nun fast nichts mehr übrig, trotz seiner soliden Stiefel kommt Seifert fast ins Rutschen, schließlich ist er unten angekommen und betrachtet, was hier vor ihm, mit dem Gesicht zu Boden liegt, grauhaarig, die verrenkten Arme und Beine ausgebreitet, und das Jackett halb aufgeschlagen und obszön ein weißes Hemd bloßlegend.
Seifert sieht, dass er hier nach keinem Puls mehr fühlen muss. Er kniet sich nieder und hebt vorsichtig den blutverkrusteten Kopf des Toten am Kinn an. Die Leichenstarre hat bereits eingesetzt.
»Das ist ja gar nicht der«, sagt neben ihm Marzens Erwin.
»Wer ist das, der dieser nicht ist?«, fragt Seifert zurück und bekommt einen ganz alttestamentarischen Ton in der Stimme. »Der, von dem wir geredet haben. Der Lurer halt«, antwortet Marz. »Ich meine, der ist es nicht.«
»Nein«, sagt Seifert. »Der ist es nicht. Es ist der Herr Zundt. Und das ist eine Geschichte, Erwin, die ist so faul, dass du es dir gar nicht vorstellen kannst.«
Barbara und Berndorf haben das frugale Frühstück eines Hotels der unteren Preisklasse zu
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