Die schwarzen Raender der Glut
Mann.«
»Was willst du mit dem schrägen Vogel? Aber bitte. Geh ins Kaufhaus am Bismarckplatz. Er arbeitet dort als Hausdetektiv. Trau ihm nicht! Er ist nicht sauber.«
Berndorf bedankt sich und geht zum Tisch zurück. Barbara blickt besorgt zu ihm auf, Tressen-Kositzkaw sagt artig, er falle Berndorf doch hoffentlich nicht auf die Nerven mit seinem Geplauder. »Aber nein«, antwortet Berndorf und schaut auf die Uhr, »Sie haben mir sehr geholfen.« Doch der Psycho-Balte will gar nicht erst wissen, weshalb, sondern plaudert weiter . . . ». . . näheren Kontakt zu Schatte hatte ich natürlich nicht, das heißt, er war jemand, der Kontakte eher nicht zuließ, ich glaube, was andere Menschen angeht, lebte er wie hinter einer dicken Glaswand, politische Führerfiguren haben das manchmal, Willy hatte es . . .«
Barbara lacht und sagt, dass dieser Vergleich der Persönlichkeit des Genossen Halt-das-mal doch etwas zu viel Bedeutung zumesse.
»Sicher«, räumt Tressen-Kositzkaw ein, »aber Schatte hatte durchaus die Instinkte eines politischen Führers, das ist damals auch akzeptiert worden, ebenso wie seine – nennen wir es einmal so – prinzipielle Laxheit in Fragen des persönlichen Eigentums. Auch die Sache mit dem Megafon damals in Köln war in Ordnung, so empfand ich es jedenfalls, es war wichtig, dass Schatte für die Bewegung verfügbar blieb, und deshalb durfte er auch nicht den Bullen in die Hände fallen ...«
Ihr sei das alles unfassbar, unterbricht ihn Barbara. »Ihr habt nicht Vietcong gespielt. Ihr habt die Hitlerjungen gespielt, die sich mit der Panzerfaust für den Führer opfern . . .«
Tressen-Kositzkaw blickt etwas verlegen in sein leeres Glas.
Berndorf sagt, dass er noch jemanden sprechen müsse, und verabschiedet sich.
Barbara verabredet sich mit ihm zum Mittagessen beim Italiener in der Plöck und wendet sich dann wieder dem Balten zu. »Bei Frauen war Schatte ja wohl nicht ganz so kontaktscheu – erinnerst du dich an eine Romanistik-Studentin, lange braune oder rötliche Haare?« Sie blickt zu Berndorf hoch, der inzwischen aufgestanden ist, jetzt aber am Tisch stehen bleibt. »Schiele«, fügt sie hinzu, »Birgit Schiele hieß sie wohl.«
»Sicher«, sagt Tressen-Kositzkaw, »warum fragst du? Sie hat diese Beziehung mit Schatte nicht so gut vertragen. Aber vermutlich ist sie nicht die einzige Frau, die mit der angeblichen sexuellen Befreiung eher wenig beglückende Erfahrungen gemacht hat. Übrigens lebt sie noch immer hier, ist Oberstudienrätin an einem unserer Gymnasien und seit einigen Jahren spät, aber so weit ganz glücklich mit einem ihrer Kollegen verheiratet.« Er lächelt abwehrend. »Ich war bei der Hochzeit eingeladen und saß dort unter lauter Studienräten, es gab gebratene Wachteln, Berge von gebratenen Wachteln, dass man Albträume davon bekommen konnte . . .«
Florian Grassl, ein Taschentuch vor dem Mund, hört Margarethe Zundts wohlklingende Ansagen, wartet aufs Piepsen und legt dann los.
»Tut mir Leid um den Audi, Herr Zundt, aber sie haben mich erwischt, und leider sind auch die beiden Pakete weg, ich konnte gar nichts machen. Ich rufe vom Krankenhaus aus an, mein ganzes Gesicht ist verbunden, ich hoffe, Sie können mich trotzdem verstehen. Wenn ich besser sprechen kann, melde ich mich wieder.«
Zufrieden legt er auf. Wieshülen wird ihn so bald nicht mehr sehen. Einen schmerzlichen, aber kurzen Gedanken wendet er an die zwei Anzüge und die drei Paar Socken, die er dort zurücklässt. Aber man soll sein Herz nicht an solche irdischen Güter hängen, vor allem, wenn sie schon ein wenig fadenscheinig sind. Das Auto, freilich, wird er irgendwann holen müssen.
Er geht zur Stiftskirche hinauf und an ihr vorbei bis zur Steinmauer, die den Platz unter den Platanen dort begrenzt. Dort schwingt er sich auf die Mauer und lässt die Beine baumeln und schaut über die Dächer zu den steingrünen Baumkronen der Neckarpromenade. Als er sich satt gesehen hat, gilt ein prüfender Blick dem neuen sommerlichen Anzug, der fast aussieht wie ein italienischer, leider nur fast, denn mehr hat sein Konto nicht hergegeben. Seine alten Klamotten würde er am Dienstag aus der Reinigung zurückbekommen, vielleicht brachten sie die Blutflecken heraus. Dann fällt ihm seine Augenbraue ein, und er tastet mit den Fingerspitzen nach der Mullbinde, es wird ein Weilchen dauern, bis er sich die Fäden ziehen lassen kann.
Freilich ist er ein bisschen klamm. Soll er Muttchen anrufen?
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