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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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von oben. Berndorf hat die Augen geschlossen. Oder fast geschlossen.
    »Was hast du sonst noch aus Troppaus Nachlass?«
    Berndorf reicht ihr den Packen hoch. Barbara sieht die Kopien durch, und während sie dies tut, muss Berndorf daran denken, dass er gestern, an dieser gleichen Stelle, genau so weit gewesen ist wie eben jetzt, bei Troppaus Selbstanzeige, auf die es nie eine ernsthafte Antwort gegeben hat und die jetzt ihm auf der Seele liegt wie eine überschuldete Erbschaft, die er nicht ausschlagen kann. Er muss an Hebel denken, an den Husar in Neiße: Es gibt Untaten, über die kein Gras wächst . . .
    »Was ist das hier?«, fragt Barbara. »Ein Zeitungsausriss. Der Posaunenchor Heidelberg-Kirchheim lädt ein zum Großen Herbstkonzert mit Werken symphonischer Blasmusik. Eine musikalische Weltreise von der Moldau zum Mississippi. Das muss ein Lärm gewesen sein.«
    »Ich hab mich auch schon gewundert, warum Troppau das aufgehoben hat«, sagt Berndorf schläfrig. »Bis ich dahinter gekommen bin. Es war Sielaff, der Arsch.«
    »Nun versteh ich gar nichts mehr.«
    »Sielaff hat die falsche Seite kopiert. Was Troppau aufheben
wollte, stand auf der Rückseite.« Berndorf gähnt. »Geh’n wir ins Hotel?«
    »Nöh«, sagt Barbara entschieden. »Wir finden jetzt heraus, was das war.«
    »Zu spät, mein Schatz.« Berndorf pliert zu ihr hoch. »Wir müssten die Heimatzeitungen abklappern. Das heißt, die Anzeigenblätter. Der Ausschnitt sieht nicht nach einer richtigen Zeitung aus. Aber es ist Samstag Nachmittag. Da hat keine Geschäftsstelle mehr offen.«
    »Keine faulen Ausreden!«, befiehlt Barbara. »Wir sind hier in Deutschland. Dieser Posaunenchor hat mit Sicherheit nicht nur einen Dirigenten, sondern auch einen Schriftführer und einen Pressewart. Wer ist hier eigentlich der Detektiv?«
    »Weiß nicht«, murrt Berndorf und richtet sich auf. »Ich bin jedenfalls keiner. Keiner mehr. Hab ich sogar schwarz auf weiß. Oder Tamar hat es.«
    Sie klopfen sich Gras und etwelche Ameisen aus den Kleidern. Danach strebt Barbara entschlossen der Theodor-Heuss-Brücke zu. Fast ein wenig widerstrebend folgt ihr Berndorf. Sein linkes Bein schmerzt, und er muss sich zwingen, nicht zu hinken.
     
    Seifert hält auf dem gekiesten Vorplatz vor der Johannes-Grünheim-Akademie. Rechts neben ihnen steht der Dienstwagen, mit dem Orrie und Tamar die Witwe Zundt hergebracht haben. Orrie sitzt am Steuer und hört »Heute im Stadion«. Weiter rechts rostet noch immer der Golf vor sich hin, von dem der Hausmeister Freißle ohne erkennbare Wärme erklärt hat, er gehöre diesem Herrn Grassl. Ganz hinten unter den Kastanien parkt ein angebeultes kleines weißes Auto mit einem Presseschild an der Frontscheibe. Am Eingangsportal diskutiert Kuttler mit einem Menschen, der in einer Lederweste steckt und eine Kamera umhängen hat.
    »Was machen wir jetzt mit den jungen Leuten?«, fragt der Prophet Jonas zum Abschied.
    »Im Augenblick gar nichts«, antwortet Tamar, als sie schon
ausgestiegen ist. »Wir überprüfen, was es mit dem BMW aus Stuttgart auf sich hat. Mag sein, dass wir dann eine Aussage brauchen, am besten von dem jungen Mann. Die Christa Waldner möchte ich aus dem Spiel lassen, so lange es geht. Vielleicht kann bis dahin auch der Schaden an dem demolierten Audi reguliert werden, ohne dass es zu einer Strafanzeige kommt. Und ob diesem Herrn Grassl etwas passiert ist, oder ob er überhaupt Anzeige erstatten will . . . also der Rechtsstaat hängt für mich davon nicht ab.«
    Der Prophet schaut sie an und meint, das klinge alles sehr vernünftig und er wolle behilflich sein, so gut es gehe. Dann hebt er grüßend die Hand, Tamar schließt die Beifahrertür, ein Blick aus dunklen Hundeaugen streift sie, und dann ist Seiferts Ford auch schon fort.
    Tamar geht zum Hauptportal. »Ich sagte Ihnen doch, es deutet alles auf einen Unglücksfall hin«, hört sie Kuttler reden, »Herr Zundt ist beim Abstieg ausgerutscht und die Steilwand heruntergestürzt. Mehr ist dazu von uns nicht zu sagen. Und Frau Zundt ist jetzt nicht zu sprechen.«
    Der Mensch in der Lederweste bleibt hartnäckig. Wenn es zu dem Fall oder Sturz nichts weiter zu sagen gäbe, wozu seien dann die ganzen Kriminalbeamten im Haus?
    »Keine weiteren Auskünfte«, sagt Kuttler. »Außerdem ist dies Privatgelände. Ich glaube nicht, dass Sie befugt sind, sich hier aufzuhalten oder hier Bilder zu machen.«
    Plötzlich hat er einen Gedanken. »Sie können doch die Stelle fotografieren,

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