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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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herausfinden. Nur . . .«
    Berndorf wartet.
    »Nur war das mehr so eine Art Laune von ihm. Ich hab dann schon gewusst, das kippt jetzt gleich, und er verkriecht sich wieder . . .«
    »Er hat also nur davon gesprochen, dass er etwas herausfinden will. Unternommen hat er nichts?«
    Die Frau überlegt. »Das dürfen Sie so nicht sagen. Ich weiß, dass er manchmal tagelang unterwegs war. Dass er versucht hat, mit Leuten zu sprechen. Aber mit wem er gesprochen hat und worüber, hat er mir nie erzählt.«
    »Und irgendwann hat er damit aufgehört?«
    »Ich weiß nicht, was er später gemacht hat. Ich weiß nur, wie es war, als die Flugblätter kamen«, antwortet die Frau. »Eines Sonntags lagen sie in der Kirche. Ich glaube, es war im Spätherbst. Und jemand hatte auf jeden Platz eines von diesen Blättern gelegt, dass man es nicht übersehen konnte . . . Das ist doch abartig, finden Sie nicht? Da gehen doch auch Kinder in die Kirche, und die müssen dieses Foto sehen, dieses Foto von einem nackten Mann, der auf dem Boden liegt und voll Blut ist.«

    Wieder muss Berndorf die Frau anschauen. Was redest du da? Von Brian O’Rourke ist kein Foto veröffentlicht worden, nicht von der Leiche, niemand hat sie fotografiert, niemand außer dem Polizeifotografen, wenn einer darüber Bescheid weiß, dann bin ich es . . .
    »Hat Troppau das Foto gesehen?«
    »Ja, er hat es gesehen«, antwortet die Frau. »Ich war mit ihm gekommen. Wir sind zu unseren Plätzen gegangen, und ich habe den Wisch in die Hand genommen und nichts verstanden. Das heißt, ich habe nur gemerkt, dass etwas mit Wilhelm ist. Noch heute sehe ich, wie er auf den Zettel starrt und ihn zerknüllt und um sich sieht, wie ein gehetztes Tier, als ob er die anderen Zettel auch alle einsammeln und zerknüllen müsste. . . Und dann ist er aus der Kirche gelaufen.«
    Berndorf blickt fragend.
    »Ich bin in der Kirche geblieben«, fährt die Frau schließlich fort. »Wegen einem solchen Wisch läuft man nicht weg, dachte ich. Ich kann ihm am besten helfen, wenn ich dableibe. Grade drum.«
    Sie trinkt einen Schluck Kaffee. »Aber es war ein Fehler. Von da an hat er sich ganz in sich eingeschlossen. Er hat nicht mehr mit mir reden wollen, und ich glaube, er hat es darauf angelegt, dass er mich nicht mehr sieht.«
    »Sie haben dieses Flugblatt nicht aufgehoben?« Zaghaft fragt Berndorf, so, als könnte die Spur beim leichtesten Hauch zerstieben.
    Die Frau schaut ihn an, dann steht sie schwerfällig auf und geht zur Schrankwand. Sie schließt ein Fach auf und sucht eine Weile herum. Schließlich kehrt sie zurück und legt schweigend ein angegilbtes Blatt vor Berndorf auf den Couchtisch. Auf dem Blatt sieht man die schlechte Reproduktion einer Fotografie. Sie zeigt den nackten blutverschmierten Körper eines toten Mannes. Darunter steht ein kurzer Text:
    Ein ungesühnter Mord
    Am 24. Juni 1972 ist der irische Staatsbürger Brian O’Rourke von Polizeibeamten, die nachts in die Wohnung seiner
Freundin eingedrungen waren, heimtückisch und kaltblütig erschossen worden. Brian O’Rourke war unbewaffnet und wehrlos. Er hatte keine Straftat begangen und war keiner verdächtig. Der Mann, der ihn erschossen hat, ist der pensionierte Polizist Wilhelm Troppau. Er gibt sich als frommer und angesehener Bürger und verzehrt in Ruhe seine Rente. Wann endlich stellt er sich der Gerechtigkeit?
     
    Berndorf dreht den Zettel um. Aber auch auf der Rückseite steht kein Vermerk über Verfasser oder Hersteller. Er fragt die Frau, ob er den Zettel behalten könne.
    »Nehmen Sie ihn nur. Ich bin froh, wenn ich ihn aus dem Haus habe. Übrigens sind auch in Wilhelms Nachbarschaft welche verteilt worden. Aber die meisten werden den Wisch weggeworfen haben. Irgendwie merkt doch jeder, dass es unrecht ist. Ich meine, so etwas darf man doch nicht drucken, über keinen Menschen, was immer er auch getan hat ...«
     
    Es ist heiß im Foyer des Schwetzinger Schlosstheaters. In der einen Hand hält Birgit das Glas Sekt, das ihr Hubert gebracht hat, in der anderen den hübschen Fächer, der aussieht, als hätte sie ihn aus der Ballgarderobe ihrer Großmutter, geöffnet zeigt der Fächer einen Glücksdrachen, auf durchbrochener schwarzer Seide feurig-golden schimmernd und dann wieder blaugrün. Dazu trägt Birgit das Schulterfrei-Knöchellange aus Shantung-Seide, es ist seitlich geschlitzt, hoch bis zur Hüfte, aber sie hat ja schließlich Beine, die einen aufblitzenden Blick vertragen.
    Hubert trägt seinen

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