Die schwarzen Raender der Glut
zweifelsfrei und fundiert beantwortet . . .«
Tamar kehrt in ihr Büro zurück, wo Kuttler dabei ist, am Telefon mit dem Gerichtsmediziner Kovacz über eine Frau zu streiten, die es am frühen Sonntagmorgen fertig gebracht hat, in ihrer Badewanne zu ertrinken.
Kalt hat sich Wut in Tamars Gesicht gekrallt. Sie fühlt sich – begrapscht fühlt sie sich, das ist die einzige Assoziation, die ihr einfällt. Und ausgetrickst.
Entschlossen setzt sie sich an ihren Computer und klickt den Internet-Anschluss an, den sie sich mit unermüdlichen Eingaben und immer neuen Begründungen erkämpft hat. Wie es sich inzwischen gehört, hat auch der Deutsche Bundestag eine Website, Tamar ruft die Liste der Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge auf, und richtig erscheint nach Schnaase-Schrecklein, Gabriele der Abgeordnete Schnappauf, Giselher und erst dann Schnatzheim, Theophil. Und weil sie schon dabei ist, ruft Tamar die Bundestagsverwaltung in Berlin an und lässt sich mit dem Büro des Abgeordneten Schnappauf verbinden, wo sich eine sehr junge, sehr professionell und sehr norddeutsch klingende Stimme meldet, die Schnappaufs Parlamentarischer Mitarbeiterin gehört.
»Tut mir Leid, er ist jetzt in der Fraktionssitzung, und danach hat er einen Fernsehtermin, von dort muss er in den Innenausschuss. . .«
Tamar sagt schnell, dass sie in einem Todesfall ermittelt, und ob die Stimme am anderen Ende ihr vielleicht sagen könne, ob ein Zundt, Gerolf in der vergangenen Woche mit Schnappauf verabredet gewesen sei . . .
Die Mitarbeiterin schweigt für einen Augenblick. »Sie sind Kriminalbeamtin? Merkwürdig. Entschuldigen Sie. Merkwürdig ist, dass Sie nach einem Herrn Zundt fragen. Ist er tot? Wir haben uns nämlich schon gewundert . . . Ein Herr Zundt hatte letzte Woche angerufen, abends, und hatte dringend um einen Gesprächstermin gebeten. Allerdings hat er mir nicht gesagt, um was es ging, er sagte nur, er habe wichtige Informationen. Giselher hatte für den nächsten Tag seine Teilnahme an einer Konferenz der Personalräte der Gewerkschaft der Polizei zugesagt und meinte, der Herr Zundt solle dort, im Stuttgarter Gewerkschaftshaus, auf ihn warten, nach seinem Referat werde er eine Viertelstunde Zeit für ihn haben . . .«
Abends erreicht Zundt die Mitarbeiterin, denkt Tamar, und die Mitarbeiterin klärt auf der Stelle, wo und wann Giselher empfangen kann? Sehr eng, diese Arbeitsbeziehung.
»Aber dieser Herr Zundt ist nicht gekommen«, fährt die Mitarbeiterin fort, »mich hat es nicht überrascht, nach meinem Eindruck am Telefon war es ein wichtigtuerischer, grober Mensch, vielleicht war es nur der Dialekt, aber das ist sicher ungerecht, Sie zum Beispiel hören sich ganz anders an . . .«
Mir ist aber nicht nach Turteln. »Wann hätte Zundt denn in Stuttgart sein sollen?«
»Wir hatten ihm gesagt, er solle sich bis 14 Uhr beim Pförtner melden und im Foyer warten. Ich hätte ihn dann in Empfang genommen. Aber dort hat sich niemand gemeldet.«
»Das wundert mich nicht«, sagt Tamar und gibt sich alle Mühe, möglichst kühl und abweisend zu klingen. »Um 14 Uhr war er schon tot. Er ist einen Felsen hinuntergefallen.«
»Ein Bergsteiger? Aber was will so jemand von uns?«
»Sehen Sie – eben dies hätte ich auch gerne gewusst.« Wann Schnappauf denn persönlich zu sprechen sei? »Unter vier Augen wäre es mir lieber als am Telefon.«
»Ach ja?«, macht die Herrin der Termine. Dann gibt es eine kurze Pause. »Wenn es noch in dieser Woche sein soll und Sie nicht nach Berlin kommen wollen, geht es eigentlich nur morgen Abend. Er hält einen Vortrag in der Evangelischen Akademie Tutzing . . .«
Missmutig blickt Berndorf auf seinen Schreibtisch, den er sich vor einigen Jahren bei einem Möbel-Discounter besorgt hat und der zu jenen Erzeugnissen gehört, denen mit dem Alter keinerlei Würde zuwächst. Es liegen darauf herum: die noch ungeöffnete Telekom-Rechnung, ein Schreiben des Landesamts für Besoldung, ebenfalls ungeöffnet, Montaignes Tagebuch seiner Bäderreise, zwei Bände aus der Lichtenberg-Taschenbuchausgabe, das Reiseschach, bei dem ein weißer Springer durch ein abgebrochenes Streichholz ersetzt ist, ein alter, erheblich beschädigter Band Aus dem Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreunds , eine von jenen Tesa-Kleberollen, die sich, sollten sie gebraucht werden, als leer erweisen werden . . . Und das Flugblatt. Der Wisch, der aussieht, als ob er in einer billigen Klitsche gedruckt worden sei. In
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