Die schwarzen Raender der Glut
einer Klitsche wie der in Leimbach, und von einem Drucker, der für einen Hunderter oder zwei auch schon mal das Impressum vergisst.
Gestern war sein erster Gedanke gewesen, Steffens aufzusuchen und ihm den Wisch unter die Nase zu halten. Aber dann war ihm klar geworden, dass er Steffens nicht in die Mangel nehmen würde. Niemanden wird er mehr in die Mangel nehmen. Er muss abwarten, was Steffens ihm freiwillig erzählen wird. Immerhin: Steffens braucht Geld. Irgendeine kleine unnütze Information wird er verkaufen wollen.
Er war dann von Sandhausen zurück nach Heidelberg gefahren und hatte dort in einem Internet-Café die Ortsnetze im näheren und weiteren Umfeld der Rhein-Neckar-Region abgesucht.
In Bensheim/Bergstraße hatte er schließlich den Anschluss und die Adresse eines oder einer W. Busse gefunden, aber gemeldet hatte sich nur die helle, angenehm akzentuierte Stimme eines automatischen Anrufbeantworters. Ein Mann also, und mit einer Stimme . . . Aber das musste nichts heißen. Er hatte aufgelegt, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
Eine Stunde später war er in den Zug nach Ulm gestiegen.
Ein Montagvormittag also in seiner Ulmer Wohnung, und niemand will etwas von ihm. Seit zwei Stunden schon wird der Münchner Rechtsanwalt Auffert »in den nächsten zehn Minuten« in seiner Kanzlei erwartet. Bei Anwälten ist das nun einmal so. Verhandlungen ziehen sich hin, Urteilsverkündungen lassen auf sich warten.
Wenigstens hat Berndorf den Sektenbeauftragten der Evangelischen Landeskirche in Baden erreicht, einen zögernden Herrn . . .
»Ja, die Gemeinde des Wahrhaftigen Wortes in Heidelberg-Kirchheim ist uns bekannt . . . nein, fernmündlich wollen wir uns darüber nicht äußern . . . nein, unseres Wissens gibt es keine anderen Gemeinden dieser Richtung, auch keinen Bischof. . . ja, wir nehmen an, dass dieser Prediger Hesekiel auch der Leiter dieser, äh, Gruppe ist, Wehlich heißt er übrigens, Friedemann Wehlich . . . nein, ich kann Ihnen keine weiteren Auskünfte geben, wir legen schließlich keine Dossiers an . . .«
Aufferts Sekretärin will immerhin ausrichten, dass Berndorf angerufen habe. Aber manchmal ist es bei Anwälten auch so, dass sie keineswegs jeden zurückrufen, der etwas von ihnen will. Egal, sagt sich Berndorf und überlegt, ob er in der Zwischenzeit die angesammelten Ausgaben des Tagblatt durchsehen soll, wird nicht lange dauern . . . Vielleicht wird er auch kurz zur Tankstelle unten in der Karlstraße gehen und sich das Hamburger Magazin holen, so bald wird sich Auffert nicht melden. Plötzlich spürt er, wie Panik in ihm hochkriecht. Das
würden seine Montagvormittage sein? Zur Tankstelle latschen, Spiegel kaufen, warum nicht auch den Kicker , irgendwann den Berbern nebenan ein Bier ausgeben . . .
Das Telefon klingelt, er stürzt zum Schreibtisch, aber es ist nicht Auffert, sondern Barbara, nun, das darf keine Enttäuschung sein . . . leider ist Barbara in Eile.
»Höre, das mit dem Genossen Halt-das-mal ist schwieriger, als ich dachte. Ich habe nur eine schnöselige Assistentin erreicht, die mir etwas von einer Beerdigung vorgenölt hat, offenbar die einer bedeutenden Persönlichkeit eurer baden-württembergischen Zeitgeschichte, Schatte soll den Nekrolog halten, in Wieshülen, ist das nicht in der Nähe von Ulm . . .?«
Dann verabschiedet sie sich auch schon, am Abend werden sie mehr Zeit füreinander haben, das heißt, sie wird Zeit für ihn haben . . . Berndorf holt sich die angesammelten ungelesenen Ausgaben des Tagblatt , rasant geht es mit dem deutschen Fußball abwärts, die Bundesregierung weiß noch immer nicht, ob sie die rechtsradikale Nationale Aktion verbieten lassen soll oder nicht, wegen Aufforderung zu Mord hat ein muslimischer Sektenführer vier Jahre eingefangen, in Straßburg wird ein deutsch-französisches Regierungstreffen vorbereitet. . . Chefredakteur Dompfaff kommentiert mit spitzen Fingern die Entscheidung des Regierungschefs, den einstigen Revolutionären Sozialisten und Straßenkämpfer Tobias Ruff als seine neue rechte Hand ins Kanzleramt zu berufen: Offenbar wolle der »im Glashaus seiner Fehlentscheidungen nervös gewordene Kanzler sich dadurch schützen, dass er sich der Dienste ausgerechnet eines ehemaligen Steinewerfers versichert. . .«
Berndorf schüttelt den Kopf und blättert weiter, bis er in der Montagausgabe schließlich den ausführlichen Nachruf auf Gerolf Zundt findet. Der Name ist ihm dunkel ein Begriff, Wieshülener
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