Die schwarzen Raender der Glut
ist es vorbei . . .«
Selbstgefällig lehnt Bettina sich zurück, nicht ohne Birgit mit einem andachtsvollen Augenaufschlag zu bedenken.
»Das ist vielleicht nicht sehr intelligent ausgedrückt«, wirft Donatus ein. »Trotzdem hat Bettina Recht. Diese Geschichte ist sowieso ziemlich ätzend, aber wenn wir sie weiterschreiben, dann machen wir sie vollends kaputt. Der Plot lebt doch davon, dass dieses Ehepaar sich für etwas krumm arbeitet, was in seiner Vorstellung immer kostbarer erscheinen muss, immer unbezahlbarer, und je länger sie sich abplagen, desto strahlender stellen sie sich das Collier vor, vielleicht sind sie auf ihre Weise sogar glücklich, dass sie ein solches Schmuckstück neu schaffen dürfen, und weil das so ist, tritt die Katastrophe erst dann ein, als sie erfahren, dass dieses wundersame Ding Talmi war, nicht mehr wert als ein paar läppische Mark . . . Wenn sie das begreifen, stürzt ihre Welt ein und begräbt sie unter sich, und deswegen kann es nichts geben, was danach kommt.«
Bettina betrachtet Donatus mit großen runden Augen. Das hast du wohl nicht begriffen, denkt Birgit und wird dabei vom Pausenzeichen unterbrochen.
»Es wird sehr interessant sein, Donatus, diese Interpretation in Maupassants Sprache nachzulesen«, sagt Birgit zuckersüß. »Und auch Bettina darf ihre Gedanken, oder was sie dafür hält, zu Papier bringen. Sie könnten sich dabei ja auch überlegen, wie es wäre, wenn Sie zehn Jahre älter wären und putzen gehen müssten.«
Plötzlich waren ihr Krallen in die Stimmbänder gefahren. Sie atmet kurz durch und fährt fort, wieder sanft und katzenmild. »Wir sind uns also einig? Sie schreiben mir entweder eine Fortsetzung der Geschichte, oder Sie begründen, warum diese Fortsetzung nicht möglich ist . . .« Sie wendet sich zur
Tür. Ihr führt mich nicht vor. Niemand tut das. Ihr werdet euch noch wundern, wie ich mit euch fertig werde.
Sie geht auf die Toilette. Am Waschtisch im Damenscheißhaus steht das Huhn Miriam und fummelt mit Wasser im Gesicht herum. Liebeskummer, wie? Verschon mich damit. Sie geht ins Klo und schließt ab und holt aus ihrer Handtasche die Salbe gegen den Pilz . . .
Ein Schaudern läuft über ihren Körper. Sie muss sich gegen die Kabinenwand lehnen. Für einen kurzen Moment schließt sie die Augen, plötzlich ist sie wieder die verschüchterte Studentin von damals, sie sieht die hochgezogenen Augenbrauen, mit denen der Arzt sie mustert . . .
»Phthirius pubis, vulgo Filzläuse, weiter kein Problem, verehrte Kommilitonin, aber vielleicht sollten Sie bei der Auswahl Ihrer Partner künftig doch etwas strengere Maßstäbe anlegen. . .«
Wie lange war das her? Der heiße Sommer. Ihr Elend damals. Ich bin nicht, was ich bin. Bist du doch. Nichts hat sich geändert.
Das wirst du mir büßen.
Als sie das Klo wieder verlässt, ist auch das Huhn verschwunden. Birgit geht ins Lehrerzimmer und holt sich einen Becher Kaffee, der so müffelt, als ob die Kanne zu lange auf der Heizplatte gestanden sei. Hubert sitzt schon an seinem Platz und tut sich mit Hilffreich wichtig, der am nächsten Dienstag nach dem Volleyball wieder zum Bahnhof gebracht werden will, was ist das nun wieder für eine Lügengeschichte? Das weiß ich doch, was du dienstags treibst, oder kann das arme Mädchen gerade nicht, weil es ein kleines Wehweh hat?
»Hört euch das mal an«, übertönt Elfriede Pirschkas herrschsüchtige Stimme das Pausengemurmel. »Der androgyne Liebreiz, mit welchem der Darsteller der Viola in seinem Werben jungmännliche Virilität und hingebungsvolle Sehnsucht zu vereinen wusste . . .« Anklagend hebt sie die Rhein-Neckar-Zeitung hoch, oder genauer: deren Feuilleton-Seite, die im Griff der rot lackierten Krallen schon ganz zerknittert
scheint. »Da willst du diesen Kinderchen beibringen, dass sie wenigstens ab und zu einen Blick in die Zeitung werfen – und dann steht ein solcher Stuss darin! Offenbar wird diese Welt galoppierend verrückt, erst lassen sie in Schwetzingen einen Knaben als Viola auftreten, was ein alter Hut, und schon schnappt dieser Feuilletonist über . . .«
Irgendetwas hat Hubert aufgestört. Einem Goldfisch gleich, der vergessen hat, wie er im Kreis herumschwimmen muss, starrt er auf die Pirschka.
»Ist kein alter Hut, finde ich«, sagt Birgit kühl. Keine Wirkung zeigen. Vor niemandem. »Wir waren draußen in Schwetzingen, und es war ein ganz reizender Abend, nicht wahr, Hubert?« Nun ist es sie, die er anstarrt, als ob er gegen
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