Die schwarzen Raender der Glut
die Glasscheibe gedöselt sei. »Und der Kerl, der die Viola gespielt hat, war hinreißend, niemand hätte vom bloßen Anschein her sagen können oder wollen, ist das ein Junge, der ein Mädchen spielt, das einen Jungen darstellen will, oder ist es ein Mädchen, das ein Junge ist, der ein Mädchen spielen will . . . So daneben ist das also gar nicht, was du vorgelesen hast.«
Die Pirschka lässt ihre Zeitungsbeute sinken und betrachtet Birgit mit aufgerissenen Augen. »Birgit, was höre ich? Ahne ich da eine Anmutung von Sappho? Und welche verborgenen androgynen Liebreize wohl Hubert hat?!«
Schrillschnepfe, herrschsüchtige. Birgit trinkt rasch einen Schluck Kaffee, der aber wirklich nur zum Abgewöhnen ist. Du willst wissen, was die verborgenen Liebreize Huberts sind? Das lässt sich machen. Allerdings lässt sich das machen. . . Miriam huscht zur Tür hinaus. Birgit blickt ihr nach. Immer huscht Miriam irgendwo zur Tür hinaus. Ein Huscherl.
Die Helios Heimstatt GmbH & Co. KG residiert in einem schmucklosen grauen Bau, der überhaupt nicht nach dem postmodern gelifteten Frankfurter Westend und den Kenzogewandeten Geschäftemachern der New Economy aussieht, sondern nach fleckigem Bodenbelag und nach den Aussiedlern aus Kasachstan.
Die Haustür lässt sich mit Hilfe eines Plastikstreifens öffnen, das ist einer der Tricks, die sich Franziska von einem Mannheimer Kripo-Mann hat beibringen lassen. Schon von außen war zu sehen, dass zur Helios Heimstatt kein Fahrstuhl führen wird. Wir haben es nicht mit der arrivierten desodorierten Habgier zu tun, denkt sie, während sie die Treppe mit den Kunststein-Stufen hinaufsteigt, sondern mit einer anfängerhaften, einer, die noch aus den Achselhöhlen riecht.
Das wird die Sache für Isabella nicht leichter machen.
Im dritten Stock links sieht sie das kleine Messingschild der Helios und klingelt nachdrücklich. Sie hat zuvor nicht angerufen, mit Absicht nicht. Wenn sie erst auf der Matte steht, kann man sie so leicht nicht abwimmeln.
Die Tür geht auf, ein hoch gewachsener junger Mann öffnet, Designer-Jeans, schwarzes T-Shirt, kurzes blondes Haar, Ring im Ohr.
Isabellas schwuler Heini, denkt Franziska. Und ob der desodoriert ist. Gucci for men, oder etwas in der Art.
»Bitte, was kann ich für Sie tun?« Blick: unangenehm berührt. Stimme: wohlmoduliert, gewandt.
Franziska legt los. Die Helios habe doch in Heidelberg-Neuenheim dieses wirklich reizende Haus erworben, »wunderhübsches 1910, meinen Glückwunsch!« Zufällig suche sie für ihren Patensohn eine passende Eigentumswohnung, für das Wintersemester hat er einen Ruf an die Heidelberger Universität angenommen, »er ist Mediävist, müssen Sie wissen«, eine passende ansprechende kleine Wohnung sollte es sein, »ich glaube, ein Loft, sagt man heute dazu . . .«
Munter plappernd nähert sie sich dem jungen Mann, darauf vertrauend, dass ihm munter plappernde Frauen so angenehm sein werden wie ein besonders unappetitliches, besonders schleimig sich ringelndes Otterngekreuch, aber der junge Mann tritt nur höflich zur Seite und meint, wenn sie nun schon einmal da sei, solle sie doch ruhig hereinkommen. »Aber die Wohnungen in unserem Heidelberger Projekt sind eigentlich noch nicht so weit ...«
Franziska betritt ein unauffälliges Büro, nicht gestylt, nicht ärmlich, helle Holzmöbel, Grafiken von Keith Haring an den Wänden, sie nimmt in einem schwarzen Ledersessel Platz und hört an, was ihr der Blonde vorträgt.
»Das Haus hat einen indiskutablen Energieverbrauch, und das bedeutet, dass wir tief greifende Verbesserungen vornehmen müssen . . .«
Schönschwätzer, denkt Franziska.
»Finanzieren lässt sich das aber nur, wenn wir hochwertigen Wohnraum schaffen, wie er dieser Lage übrigens auch angemessen ist, und das setzt wiederum einige weitere Investitionen voraus, wir werden einen Fahrstuhl einbauen müssen, und anderes mehr – verstehen Sie, das geht nicht so schnell, bis zum Beginn des Wintersemesters eher nicht . . .«
Das leuchte ihr durchaus ein, meint Franziska, aber ob ihr ein ungefährer Zeitrahmen genannt werden könne? »Sie haben ja auch das lästige Problem mit den Altmietern . . .«
Der junge Mann mit der angenehmen Stimme nickt höflich. »Auch das können wir noch nicht abschätzen. Wir nehmen an, dass die meisten der Wohnungen sich nach der Sanierung für die bisherigen Mieter finanziell nicht mehr darstellen lassen. Aber dabei erlebt man Überraschungen, sodass ich Ihnen
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