Die Schwarzen Roben
Lendenschurz versteckt hatte. Er zog sich so weit in die Höhlung zurück, wie es seine Größe zuließ, und griff mit der linken Hand nach oben, um einen der Pfeile aus dem Holz zu ziehen.
Eine schwarzgekleidete Gestalt tauchte auf, ein schemenhafter Umriß vor dem Hintergrund der Verstrebungsbalken, die den Innenraum des Gebetstors stützten. Hokanus Messer zischte durch die Luft und bohrte sich in den Hals des Mannes; mit einem gurgelnden Geräusch stürzte er rücklings in die Tiefe. Sein Kumpan war nicht so dumm, ihm zu folgen, sondern duckte sich und griff nach seinem Bogen. Hokanu sah die Pfeilspitze in der Düsternis schwach aufblitzen. Seine Haut prickelte angesichts der Gewißheit, daß ihn jeden Augenblick ein Pfeil durchbohren würde.
Er drehte den Pfeil in seiner Hand herum, so daß er damit zustechen konnte, und machte sich bereit, auf den Bogenschützen loszustürmen.
Von unten erklang eine barsche Stimme. »Du brauchst dich nicht zu beeilen. Nagle ihn nur in seinem Versteck fest. Oridzu wird die andere Statue hochklettern und ihn von oben erledigen.«
Mit einem elenden, flauen Gefühl in der Magengegend stellte Hokanu fest, daß seine Deckung ihn nur vor einem Angriff von unten schützen würde. Doch links und rechts ragten die Statuen des Gottes so weit in die Höhe, daß sie einem Bogenschützen, der dort hinaufkletterte, einen eindeutigen Vorteil verschaffen würden. Sollte er versuchen, sich vor einem Angriff von oben zu schützen, so würde er ein leichtes Ziel für den Bogenschützen unter dem Gebetstor abgeben. Noch schlimmer – und eine grausame Ironie des Schicksals – war das Wissen, daß die Rezeptur des Gegenmittels, das Mara retten könnte, mit ihm sterben würde. Arakasi hatte keinen Grund daran zu zweifeln, daß er es sicher nach Hause geschafft hatte. Hokanu verfluchte die Eile, mit der er Kentosani verlassen hatte; er hatte nicht eine einzige Minute dafür opfern wollen, eine Eskorte zusammenzustellen. Dabei hätte er zumindest Söldner anheuern können, wenn er schon nicht die Zeit gehabt hatte, Soldaten aus Maras Stadthaus oder dem seines Vaters anzufordern. Jede Art von bewaffneter Unterstützung hätte diesen Hinterhalt vielleicht vereiteln können.
Aber er hatte auf eine Eskorte verzichtet, hatte allein auf die Geschwindigkeit gesetzt, mit der er dahinrasen konnte, wenn er auf dem fremdartigen Pferd aus dem Königreich ritt. Die Tiere waren weit schneller als der flinkste Läufer, und Hokanu hatte Maras Leben über sein eigenes gestellt.
Jetzt würde Mara für seine Torheit bezahlen. Sie, die letzte der Acoma, würde sterben und niemals erfahren, wie nah der Mann, der sie liebte, daran gewesen war, ihr das Gegenmittel zu bringen.
Hokanu fluchte, als die verstohlenen Geräusche sich leise bewegender Männer an sein Ohr drangen. Nicht nur einer, sondern zwei Attentäter hatten damit begonnen, die Statuen zu erklettern. Von beiden Seiten würde er mit Pfeilen gespickt werden, und in Anbetracht der verdrehten Denkweise der Minwanabi traute er es dem toten Lord zu, daß auch hinter anderen Reliefs und Schnitzereien des Gebetstors verborgene Schießscharten angelegt worden waren. Es war gut möglich, daß er von Pfeilen durchbohrt wurde, ohne die Angreifer überhaupt zu sehen.
In die Enge getrieben und vor Erschöpfung und Wut zitternd packte Hokanu voller Verzweiflung den Pfeil, der seine einzige Waffe war. Er machte sich bereit, auf den Mann loszugehen, der ihn in seinem Versteck festnagelte. Er würde sterben, aber vielleicht könnte er noch einen weiteren Angreifer mit in die Hallen Turakamus nehmen. Doch als er sich straffte, um sich von der Wand abzustoßen, zischte ein Pfeil heran. Er warf sich flach auf den Boden, aber es war zu spät. Mit einem dumpfen Geräusch grub sich der Pfeil bis zum Knochen in seine Hüfte.
Der Schmerz war so groß, daß Hokanu die Zähne fletschte, während er versuchte, einen Schrei zu unterdrücken. Furchtbare Schmerzen und eine glühende Wut schienen alles in ihm zu verbrennen – und sein Geist erlangte eine beinahe übernatürliche Klarheit. Er packte den Pfeilschaft und brach ihn ab. Die anschließende Agonie ließ ihn unwillkürlich zusammenzucken; die Schmerzen trieben ihm Tränen in die Augen. Ein zweiter Pfeil bohrte sich dort ins Holz, wo gerade eben noch seine Brust gewesen war. Auf ein Knie gestützt, tastete er mit blutverschmierten Fingern herum, um etwas zu finden, an dem er sich festhalten und aufrichten konnte. Sein
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