Die Schwarzen Roben
entstammte, das von Turakamu, dem Gott der Toten, regiert wurde. Hokanu raste unter dem Torbogen hindurch und nahm weder die Heiligenbilder in den Ecken wahr, noch die Votiv-Lampe, die ein vorbeikommender Priester angezündet hatte. Er stolperte weiter; ihn interessierte nur, daß dieses Tor das nahende Ende seiner Reise bedeutete. Nur noch eine Hügelkette und ein Hohlweg, der von seinen eigenen Leuten bewacht wurde, lagen zwischen im und den Grenzen des Acoma-Gebiets. Bei dem Wachtposten im Hohlweg würde es auch einen Läufer geben ebenso wie einen vertrauenswürdigen Offizier und einen Mann, der als Feldheller ausgebildet war. Mit ein bißchen Glück würden die Kräuter für das Gegenmittel unter seinen Vorräten zu finden sein; und in der Küche eines jeden herrschaftlichen Haushalts gab es den Honig der Rotbienen.
Hokanu hoffte, der Gute Gott möge ihm vergeben, daß er bei seinem Durchgang kein Gebet gesprochen hatte, obwohl das Gebetstor ein solches Gebet inspirieren sollte. Aber jeder einzelne Knochen in seinem Körper schmerzte, und er keuchte vor Erschöpfung; er hatte einfach nicht genug Luft, um zu sprechen, und er wußte, daß er auf der Stelle zusammenbrechen und das Bewußtsein verlieren würde, sollte er auch nur einen Augenblick stehenbleiben. Benommen von Schwäche und Erschöpfung lief Hokanu unter dem Torbogen hindurch und tauchte in den perl-muttfarbenen Nebel dahinter ein.
Die Pferde spürten den Hinterhalt lange vor ihm.
Der große Wallach blieb schnaubend stehen, und die Stute scheute. Der plötzliche Ruck versetzte Hokanu einen Stoß nach vorn, und er keuchte verzweifelt. Doch der Pfeil, der aus einem Dickicht am Straßenrand abgefeuert worden war, verfehlte ihn um etliche Zentimeter und fuhr weiter hinten in den Boden, ohne Schaden anzurichten.
Sofort rammte Hokanu dem Wallach seinen Ellbogen in die Seite, worauf das Tier sich wie verrückt um sich selbst zu drehen begann. Die wild schnaubende Stute bockte, und der Wallach wieherte schrill und keilte aus. Hokanu riß sein Schwert aus der Scheide am Sattel. Im Schutz der nervösen, unruhigen Tiere zog er sich unter den Torbogen von Chochocans Gebetstor zurück.
Er durfte nicht davon ausgehen, daß nur ein einziger Mann im Hinterhalt lag. Er sandte ein kurzes Stoßgebet an den Guten Gott, verbunden mit dem innigen Wunsch, daß wer immer ihm hier aufgelauert hatte, nicht mit den Pferden von der barbarischen Welt vertraut war, denn die Tiere waren seine einzige Chance, am Leben zu bleiben.
Immer noch mit dem Führungszügel aneinandergebunden, traten die Pferde vor dem Torbogen weiter um sich; der Wallach versuchte zur Verteidigung um sich zu beißen, während die Stute sich in panischer Angst hin und her wand, sich aufbäumte und kurz davor stand, durchzugehen. Hokanu nahm an, daß kein Attentäter, der auf Kelewan geboren worden war, es wagen würde, sich an diesen ausschlagenden Hufen vorbeizudrücken, um in den Torbogen zu gelangen und ihn gefangenzunehmen. Die einzige Möglichkeit der Attentäter bestand dann, das Gebetstor zu umgehen und ihm von der anderen Seite in den Rücken zu fallen. Doch, Chochocan sei Dank, welcher längst verstorbene Lord von den Minwanabi es auch gewesen sein mochte, der dieses Gebetstor zu Ehren des Guten Gottes errichtet hatte, er hatte keine Kosten gescheut. Das Tor war wuchtig, aus Stein und Fachwerk gebaut und wegen seiner enormen Höhe mit Strebebögen versehen. Es besaß komplizierte Reliefs, kostbare, vergoldete Türmchen und eine Vielzahl von inneren Wölbungen, Nischen und Gebetswinkeln. Sechs Bogenschützen konnten sich darin verbergen und den Durchgangsverkehr ernsthaft behindern, was ohne Zweifel auch der wirkliche Grund hinter der Geste der Ergebenheit gewesen war.
Hokanu konnte für eine derartige Pietätlosigkcit jedoch jetzt nur dankbar sein, als er den Schutz der verschreckten Pferde verließ und begann, an den kannelierten Verschnörkelungen hochzuklettern und sich dann Hand über Hand an einem Balken hochzuziehen, der unterhalb der Dachsparren entlanglief. Er schwang sich nach oben und duckte sich in eine Nische, in der das gemalte Bildnis der Glückseligkeit hing. Leise vor Erschöpfung keuchend, quetschte sich Hokanu in den schmalen Schattenstreifen. Wenig später lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Nische und starrte mit weit geöffneten und doch blinden Augen vor sich hin, verzweifelt bemüht, wieder zu Atem zu kommen. Ein Augenblick verging, der eine Ewigkeit zu dauern
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