Die Schwarzen Roben
verdorben und voller Härte und Groll einer in der Ried-Welt aufgewachsenen Hure, hatte ihn tief im Innern berührt. Seine Anteilnahme war echt gewesen, und das allein war beunruhigend. Arakasi schüttelte die Erinnerung an Kamlios lange, wunderbare Haare und ihre juwelenklaren Augen ab. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen, bevor er sich um ihre Freiheit kümmern konnte. Denn die Information, die sie ihm in dem naiven Glauben gegeben hatte, daß es sich nur um eine Familienangelegenheit handelte, würde ihn möglicherweise zu dem Ort führen, wo der Harem des Obajan der Hamoi Tong zu finden war. Die schwache Verbindung, die sie mit ihrer Schwester hatte aufrechterhalten können, um unregelmäßig Mitteilungen auszutauschen, war weit gefährlicher, als sie ahnte,
Arakasi hatte Monate damit zugebracht, ein Gerücht zu verfolgen, daß eine Frau von ungewöhnlicher Schönheit, die außerdem eine Schwester hatte, von einem bestimmten Händler erworben worden war, den der Supai schon lange verdächtigte, ein Agent der Hamoi Tong zu sein. Dieser Händler war jetzt tot – eine notwendige Begleiterscheinung ihres Zusammentreffens –, doch daß er eine so teure Kurtisane überhaupt gekauft hatte, führte Arakasi zu der beinahe sicheren Überzeugung, daß sie für den Obajan oder einen seiner engsten Vertrauten bestimmt sein mußte.
Und die Tatsache, daß sie nach Ontoset geschickt worden war, machte besonders Sinn; es war sicherer für die Tong, ihren Sitz weit entfernt von dem Ort zu haben, wo man mit ihnen Kontakt aufnehmen konnte: einem unbedeutenden Schrein außerhalb des Tempels von Turakamu. Arakasi hatte selbst einige Agenten, die sein Hauptquartier in Jamar oder Yankora vermuteten, weil alle Botschaften, die sie erhielten, von dort kamen.
Arakasi hatte der Versuchung widerstanden, sofort nach Ontoset aufzubrechen, und wertvolle Wochen damit verbracht, in Kentosam nach dieser Schwester zu suchen.
Der Supai hatte seine Beute mehrere Wochen lang beobachtet, bevor er sich mit ihr bekannt gemacht hatte. Er wich Kamlios Fragen geschickt aus und veranlaßte sie zu glauben, daß er der Sohn eines mächtigen Edlen sei, dessen Erbe aufgrund eines romantischen Abenteuers sehr geschmälert worden war.
Als er wiederholt einen unehrenhaften Tod riskierte, um sie zu sehen, hatte Kamlio ihn schließlich in ihr Bett gelassen.
Ohne sie hätte Arakasi sein ganzes Leben lang suchen können, ohne jemals auch nur einen Hinweis auf das zu erhalten, was er auf Maras Befehl suchte. Als er so dasaß, reglos wie ein Stein, und auf die Dunkelheit und die Chance, sich davonzumachen, wartete, dachte er darüber nach, wieviel er einer Frau schuldete, die aufgewachsen war, um nichts weiter als eine Bettgespielin zu sein. Er wußte, daß er diese Frau eigentlich verlassen und niemals wiedersehen sollte, doch sie hatte irgend etwas in seinem Innern berührt. Jetzt sah er sich einer anderen Furcht gegenüber: daß er Mara inständig bitten würde, das Mädchen aus dem Kontrakt freizukaufen, und daß Kamlio, wenn sie erst einmal frei wäre, über seine aufrichtige Fürsorge lachen würde.
Es fiel ihm, der von Frauen der Ried-Welt aufgezogen worden war, nicht besonders schwer, ihre Verachtung zu verstehen. Arakasi seufzte. Im Schutz der Büsche bemühte er sich, die Insektenstiche und Muskelkrämpfe von seiner erzwungenen starren Haltung nicht zu beachten. Er schloß die Augen, doch noch immer drangen die Geräusche aus dem Schlafzimmer an sein Ohr, wo Kamlio jetzt schon einige Zeit versuchte, die Lüsternheit eines Mannes zu erfreuen, der längst zu alt und unfähig für solche Dinge war. Arakasi erduldete eine Wartezeit, die schmerzlich langsam verging. Als er sicher war, daß der alte Herr eingeschlafen war, stahl er sich heimlich davon. Doch ihm folgten lebhafte Erinnerungen und das unangenehme, unerwünschte Bewußtsein, daß er sich um Kamlio sorgte. Seine Gefühle für sie waren blanker Irrsinn; jede gefühlsmäßige Verbindung zu anderen als den Acoma machte ihn verletzbar. Und er wußte, wenn er verletzbar war, war es Lady Mara auch.
Der Bote zögerte, nachdem er sich verneigt hatte. Noch atemlos vom Laufen über die Hügel hätte er sich eigentlich eine richtige Pause verdient, um Atem zu schöpfen; doch seine Hände waren angespannt, und der Blick, den er zu Hokanu erhob, war düster vor Mitleid.
Der Erbe der Shinzawai war kein Mann, der sich vor Unheil drückte. Feldzüge hatten ihn gelehrt, daß man sich Rückschlägen sofort
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