Die Schwarzen Roben
Sandalen waren noch neu und vom Laufen noch nicht weich geworden.
Mara fischte ein Bonbon der Cho-ja aus dem Gefäß auf ihrem Tisch. Sie warf es in die Luft und lächelte, als der Junge seine Schüchternheit ablegte und es auffing. »Kalizo, kannst du mir sagen, wann die nächste Seidenlieferung zur Stadt der Ebene und dann nach Midkemia unterwegs ist?«
»Nächste Woche, Lady« Der Junge lispelte etwas, verstärkt jetzt durch das harte Bonbon im Mund.
Mara überlegte einen Augenblick, dann griff sie mit zitternden Fingern nach ihrem Stift. »Ich habe hier einen Brief, den der Makler mitnehmen soll«, wies sie den Jungen an. »Hol ihn her, denn ich muß mit ihm sprechen.«
»Sofort, Lady« Der Junge verbeugte sich, drehte sich um und verschwand mit einer Geschwindigkeit, die seine Beförderung rechtfertigte. Mara kaute auf der Unterlippe, als er hinter den Läden verschwand. Dann versiegelte sie schnell die Nachricht, die an Milamber, Magier, Königreich der Inseln, Midkemia, adressiert war. Als sie das Wachs aufsetzte und das Siegel in Tinte tauchte, fragte sie sich, ob sie mit dem Siegel auf dem Brief ihre eigene Verdammnis heraufbeschwor.
Dann trat der Seidenmakler ein, begleitet von Kalizo. Ihre Bedenken zerstreuten sich vor der Notwendigkeit, dem Mann Anweisungen zu geben, die ihn erzittern ließen. Seine offensichtliche Unruhe machte auch die kleine Kasuma nervös, und Mara mußte die Amme des Mädchens herbeirufen. Justin warf die Kreide mit der lauten Bemerkung weg, daß er jetzt Hunger hätte. Aufrecht und geschmeidig, im Gegensatz zu dem stämmigeren Ayaki, sprang er auf und forderte Kalizo zu einem Wettrennen zur Küche auf. Mara nickte dem Sklavenjungen zu, der angesichts des bevorstehenden Wettstreits grinsend aufschrie, ganz und gar nicht beschämt. Als die beiden Jungen mit Höchstgeschwindigkeit davonschossen, erwartete Mara beinahe den kreischenden Protest der alten Nacoya zu hören … aber diese Tage waren für immer vorbei.
Allein mit ihren Gedanken, als die Sonne langsam im Westen versank, rief Mara eine Dienerin, um die Läden zu öffnen. Jahre waren vergangen, seit sie die Shatra-Vögel bei Sonnenuntergang über das Land der Acoma hatte fliegen sehen. Es wurde als Glückssymbol ihres Hauses betrachtet, und die Geschöpfe waren stets ein Quell der Freude für Mara, wenn sie die Nacht mit einem Ritual begrüßten, einer Feier aus Flug und Gesang. Als ihre Blicke den Vögeln vor dem goldenen Himmel folgten, dachte sie an ihren Mann. Er hatte keine Konkubinen genommen, und er hatte sich auch nicht weiter zu der Enttäuschung über Kasumas Geschlecht geäußert. Mara nahm an, daß er die Angelegenheit absichtlich ruhen ließ. Hokanus einziger Bezug darauf war das Versprechen eines langen Gespräches bei ihrer Rückkehr auf ihren gemeinsamen Landsitz gewesen. Ein Boot, hatte er gesagt, nur mit ihnen beiden darin und einem Tablett mit leichtem Essen und San-Wein, auf dem ruhigen Wasser; keine Sklaven, keine Bediensteten, nur eine Laterne und er mit den Rudern. Daß er sich ansonsten gar nicht zu der Sache äußerte, zeugte von seinem Unbehagen. Mara stützte das Kinn in die Hände und seufzte. Was immer er zu sagen hatte, es würde Monate dauern, bevor sie die Zeit hatte, sich mit ihrem Mann zu treffen. Denn inzwischen war alles für ihre Abreise vorbereitet, und nur eine letzte Beratung mit Arakasi, der jederzeit mit seinem Bericht erwartet wurde, hielt sie noch zurück.
Viel später, als das Arbeitszimmer von Lampen erhellt wurde und die Sterne den Himmel schmückten, wo zuvor die Shatra-Vögel geflogen waren, wurde Mara beim Lesen von einem Diener gestört, der sie informierte, daß ein schäbiger, umherziehender Poet angekommen war und um Nachsicht der Lady bat.
Mara schaute interessiert von ihrer Rolle auf. »Du hast ihn nicht in die Küche geschickt«, stellte sie fest. »Dieser Poet, sagte er, daß er Verse in So-Mu-Ta-Reimen für mich hat?«
Der Diener runzelte die Stirn, der Bezug überstieg seinen Bildungshorizont. »In der Tat, Mylady. Er bestand darauf, daß Ihr damit etwas anfangen könntet.« Sein Gesicht verzog sich vor Bedenken. »Ich hätte ihn fortschicken sollen. Er sieht sehr zerlumpt aus.«
Mara lächelte jetzt warmherzig. »Sehr zerlumpt, ungebadet und vielleicht mit einer Frau im Schlepptau?«
Die Augen des Dieners weiteten sich. »Ihr kennt ihn?«
»Ja, ich kenne ihn.« Mara rollte erwartungsvoll ihr Pergamentstück zusammen. »Führe ihn zu mir.«
Der Diener
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