Die Schwarzen Roben
Gesicht. Er sah den sicheren Tod in Arakasis Hand, in einem Messer, dessen Klinge in der Aufwärtsbewegung des beginnenden Wurfs aufblitzte.
Er wirbelte herum. Die Tasche schlug gegen seine Hüfte, als er verzweifelt zurück auf die bevölkerte Straße sprang und davoneilte, als würde sein Herz zerbersten.
Der Magier mit der tiefen Stimme versteifte sich vor Überraschung. »Er widersetzt sich uns!« rief der andere wütend.
Der näher am Tor stehende Magier hob seine Hände. Ein Krachen wie Donner ließ die Luft erzittern, rüttelte an den Werkzeugen in dem Radkarren, und drückte die Blumen in einer schneidenden Brise gegen den Boden. Arakasi wurde flach auf die Erde geworfen. Er schob die Klingen unter den ausgestreckten Körper und verbarg sein Gesicht hinter den Händen, während ein Stoß nach dem anderen den Garten erschütterte. Schreie ertönten auf der Straße, vermischt mit den Geräuschen weglaufender Menschen und dem Gebrüll verschreckter Needras. Ein Wagenlenker schnappte nach der Peitsche, um einen Wagen anzutreiben, und der junge Hund, der eben noch mit den beiden Bettlerjungen herumgetollt hatte, begann zu jaulen. Arakasi zitterte unkontrollierbar und blinzelte zwischen zwei Fingern hindurch.
Abgesehen von den Leuten, die schutzsuchend vom Gartentor wegrannten, sah die Straße kaum anders aus. Die untergehende Sonne warf ihr rotes Licht über die Stufen der Bibliothek, und die Düfte der Tempel schwebten in der Luft. Doch ihr süßer Geruch vermischte sich jetzt mit dem von verkohltem Fleisch, und ein qualmendes Häufchen Asche lag auf dem Kopfsteinpflaster. Nichts deutete mehr darauf hin, daß dies noch vor Sekunden ein Mensch gewesen war. Völlig unberührt lag eine Tasche, deren Pergamente herausgefallen waren und sich entrollten.
»Aus welchem Grund ist der Narr weggelaufen?« sinnierte der Magier mit der tiefen Stimme. Er wandte sich an seinen Kameraden. »Du hättest ihn nicht so schnell zu Asche verbrennen sollen, Tapek. Jetzt werden wir nie erfahren, wer ihn angestellt hat. Dieses Mal hast du deinem Temperament auf Kosten wertvoller Informationen freien Lauf gelassen.«
Der andere Erhabene verteidigte empört seine Handlung. »Es gibt nur zwei mögliche Verdächtige, die Acoma oder die Anasati. Keiner von ihnen hat ein Motiv, jemanden für Nachforschungen in die Archive zu schicken. Und es ist undenkbar, daß irgendein geringer Mann uns trotzt und dabei ungestraft bleibt.« Er wandte sich vom Tor ab. Sein Blick schweifte über den Radkarren und die Gartenwerkzeuge, bis er sich in eisiger Kälte auf der ausgestreckten Gestalt Arakasis niederließ.
Maras Supai spürte die Berührung des Blickes wie einen Speer in seinem Rücken. Er konnte weder aufhören zu zittern, noch wagte er es, sich zu bewegen. Der Atem blieb ihm im Halse stecken, während er versuchte, die unterwürfige Position beizubehalten.
Der Magier trat näher. Samtbeschuhte Füße traten dicht an sein Gesicht heran. Arakasi konnte die Schärfe des Ozons riechen, das sich mit dem Staub und dem Geruch von feuchten grünen Blumen vermischte.
»Kanntest du den Mann?« verlangte der Erhabene zu wissen.
Arakasi schüttelte den Kopf, unfähig zu sprechen.
Der zweite Magier trat hinzu. »Er könnte lügen. Wir müssen sicher sein«, sagte er, die Stimme wie ein Donner in Arakasis Ohren. Er kam näher.
Arakasi spürte die Bewegung, als würde der Magier eine Geste mit den Händen machen.
»Wer war der Mann?« kam die tiefe Stimme des Magiers. »Antworte!«
Die tastenden Finger der Magie griffen mitten durch den Geist des Supai hindurch. Er war von einer unleugbaren Macht gefangen und spürte, wie seine Lippen und seine Zunge zum Sprechen gezwungen wurden. »Er war nur ein Schreiber«, hörte er sich sagen. »Sein Name war mir nicht bekannt.«
Arakasi schloß vor Furcht die Augen. Trauer darüber, daß er Kamlio niemals wiedersehen sollte, prallte gegen die lebhafteste Erinnerung des Nachmittags, den sie in körperlicher Liebe verbracht hatten, als sie sein Herz mit ihrem lässigen Lächeln und ihren harten Augen für immer gefangengenommen hatte.
Über das Wirrwarr seiner Erinnerungen hinweg erklang die Stimme des einen Erhabenen. »Sein Geist ist Chaos. Er denkt, wir werden ihn töten … und er sehnt sich danach, eine Frau zu sehen.« Hartes Gelächter brach aus dem Magier hervor. »Der Narr träumt von einer wunderschönen jungen Kurtisane, die er einst kannte. Sein einziger Gedanke ist, sie vor seinem Tod noch einmal
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