Die Schwarzen Roben
Arakasi den Garten verlassen, seine Karre vor sich herschieben und der Schreiber würde nur einen kurzen Moment an ihm vorbeistreichen, doch lange genug, um seinen Bericht zwischen die Werkzeuge zu stecken.
Arakasi nahm das Geräusch zuerst als eine Verzerrung der Luft wahr, schob es beinahe einem Weinmakler zu, dessen Rollwagen auf der anderen Seite des Tors über das Kopfsteinpflaster rumpelte. Dann gehorchte er seinem Instinkt und duckte sich hinter seinem Karren, bevor der Wagen draußen vorbeikam, und seine Ohren erkannten die Störung als das, was sie war: das eine Gänsehaut erzeugende, seltsame Summen, das dem Erscheinen eines Erhabenen vorausging.
Eisiger Schweiß näßte seinen Nacken. Waren sie seinetwegen gekommen? Hatten sie seine Gegenwart auf einen Plan Lady Maras zurückgeführt? Allein die Gewohnheit hielt Arakasi in seiner Deckung, die darin bestand, als sonnengebräunter Gärtner am Ende eines arbeitsreichen Tages die Werkzeuge einzusammeln. Sein Herz raste, und seine Hände zitterten wie die eines Menschen, der an der Lähmung litt. Er hatte schon oft Angst in seinem Leben gehabt; doch niemals zuvor hatte sie solche Macht über ihn ausüben können. Niemals hatte sie, bis Kamlio gekommen war, die innere Schutzmauer seines Herzens durchbrechen können.
Die beiden Schwarzen Roben erschienen nur einen Augenaufschlag später. Das zermürbende Summen erstarb und hinterließ eine Stille, die nicht mehr vom Schwirren herumstöbernder Bienen durchbrochen wurde. Die Geräusche von der Straße schienen auf merkwürdige Weise weit entfernt, als würde die Welt an den marmornen Säulen beginnen und enden, die die Gartentore flankierten.
Arakasi mußte keine Ehrfurcht vortäuschen, als er sich hinter dem Radkarren zu Boden warf, das Gesicht gegen die erdigen Furchen gepreßt, die sein eigener Rechen in die Boden gezogen hatte.
Die Erhabenen nahmen keine Notiz von ihm. Als wäre er nicht lebendiger als eine aus Stein gemeißelte Statue, schritten sie den Weg zum Tor entlang und hielten im Schatten des gewölbten Bogens an. Ihre Augen richteten sich mit geübter Intensität auf die Treppe an der Vorderseite der Bibliothek auf der anderen Straßenseite. Sie wandten ihm den Rücken zu und ignorierten den gewöhnlichen Gärtner, der sich hinter ihnen zusammenkauerte, als wäre er nur ein weiterer Teil der Umgebung, nicht eine Person, die sie belauschen konnte.
Der eine dunkle, kapuzenbedeckte Kopf neigte sich zu dem seines Kameraden. »Er müßte jeden Augenblick hier auftauchen. Der Kristall zeigte, daß er die Straße überqueren und in diese Richtung gehen würde.«
Der angesprochene Magier antwortete mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken.
Arakasi verspürte nur wenig Erleichterung, als er begriff, daß die Schwarzen Roben nicht seinetwegen gekommen waren. Noch immer zitternd und beinahe gelähmt vor Angst riskierte er einen kurzen Blick. Über den Zinken der Harke, eingerahmt von den geheimnisvollen schwarzen Gestalten der Magier unter dem Bogen, sah er schließlich den Boten aus der Bibliothek treten, eine volle Tasche an einem Riemen über der Schulter hängend.
»Da!« Der Erhabene, der gesprochen hatte, zeigte auf den jungen Schreiber, der in normaler Geschwindigkeit die Stufen hinunterging. »Dort ist er.«
Der zweite antwortete mit einem Nicken, dann sprach er mit ungewöhnlich tiefer Stimme: »Wie du vermutet hast, sind in seiner Tasche Pergamentrollen.«
»Inhalt?« Der erste Magier war kurz angebunden.
Sein Kamerad schloß die Augen, legte eine Hand gegen die Stirn und gestikulierte mit der anderen in der Luft. Seine Bewegungen waren möglicherweise ein Zauberspruch oder ein Symbol oder irgendein unverständliches Machtritual. Der Supai spürte, wie ein Frösteln über seine Haut lief, als das Prickeln von Magie ihn erreichte.
Die tiefe Stimme des Magiers rumpelte. »Es ist eine List. Die kaiserlichen Requisitionen für Gelder für die Künste. Triumphbögen, Gedenkstatuen, Denkmäler …« Eine Pause trat ein, während die beiden Erhabenen darüber nachzudenken schienen. Dann meldete sich wieder der mit der kalten Stimme zu Wort. »Die Zeitperiode dieser Listen hängt empfindlich mit unseren Interessen zusammen. Sehr sogar.«
Arakasi ballte die Hände zu Fäusten; er fürchtete, daß sein trommelnder Herzschlag in der Stille des Gartens zu hören sein würde.
Die Sänfte einer Lady passierte den Eingang, hastig von Sklaventrägern mit seidenen Kopfbedeckungen getragen. Der Schreiber wurde
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