Die Schwarzen Roben
Tüchern behängt worden, aus Respekt vor Turakamu, dem Roten Gott, der während der heutigen Zeremonie Ayakis Geist in seinen Hallen willkommen heißen würde. »Als unsere Lady Tasaios Untergang herbeigeführt hatte, erwarteten wir den Tod oder die Sklaverei. Statt dessen erhielten wir das Geschenk weiterer Tage: eine neue Chance zu dienen und Ehre zu erlangen. Daher sprechen wir bei jedem Sonnenaufgang ein Dankesgebet für diese Begnadigung – und für die Gute Dienerin.«
Hokanu nickte, er war nicht überrascht über die Ergebenheit dieser hochgestellten Diener. Als Gute Dienerin des Kaiserreiches wurde Mara von den Massen geliebt. Ihre eigenen Leute dienten ihr mit einer Hingabe, die an Ehrfurcht grenzte. In der Tat würde sie eine solche Unterstützung auch benötigen, wenn sich ihr Haus von diesem Verlust wieder erholen sollte. Eine Herrscherin, die bei ihren Leuten unbeliebt war, würde davon ausgehen müssen, daß nach einem gewaltigen Schlag wie diesem Zweifel unter den Angestellten aufkamen, da Bedienstete von den höchsten Positionen bis zum gemeinsten Sklaven sich sorgten, ob der Himmel diesem Haus nicht das Glück entzogen hatte. Selbst ohne göttliches Mißfallen würden sterbliche Feinde die Gelegenheit ergreifen und zuschlagen, wo die Reihen am ungeordnetsten waren. So wurde der Aberglaube von den Folgen genährt, denn ein geschwächtes Haus würde Rückschläge erleiden und somit als in der Mißgunst der Götter stehend erscheinen.
Hokanu spürte Gereiztheit in sich aufsteigen. Jahrhunderte voller ungebeugter Sitten und Gebräuche hatten die Gesellschaft in einen Zustand vollständiger Stagnation geführt.
Er, Mara und Ichindar, der Kaiser der Nationen, hatten sich dem Ziel verschrieben, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
Ayakis vorzeitiges Ende bedeutete mehr als nur Kummer und Trauer; es konnte einen wesentlichen Rückschlag darstellen und in einen Aufruhr all der Herrschenden münden, die über die kürzlichen Veränderungen verstimmt waren. Wenn die Acoma irgendein Zeichen von Unentschlossenheit zeigten, würde es Unfrieden geben, und im Zentrum der Fraktion, die begonnen hatte, sich im festen Beharren auf alten Traditionen herauszubilden, würde die Stimme der Anasati am lautesten erschallen.
Die Trauergäste würden nicht herkommen, um zu sehen, wie die Asche des Verstorbenen als Rauch in den Himmel stieg, o nein; sie würden sich gegenseitig wie hungrige Hunde beäugen, und Lady Mara würde von allen Anwesenden am intensivsten gemustert werden. Hokanu wußte, daß seine Lady viel zu sehr in ihrem Schmerz versunken war, um mit äußeren Angelegenheiten umgehen zu können, und diese Sorge lastete schwer auf ihm, während er das verzierte Tor öffnete und durch den Garten schritt. Er vergaß die beiden Männer, die mit ihm gingen, bis Incomo sagte: »Der Erste Berater Sanc hat alles vorbereitet, Herr, auch Aufführungen, um den Gästen Zerstreuung zu bieten. Nur die wichtigsten Herrscher werden ihre Ehrengarden mit ins Haus bringen; alle anderen werden in der Garnison auf der anderen Seite des Sees untergebracht. Der Scheiterhaufen ist mit Öl getränkt, und es wurde alles getan, um die Zeremonie so kurz wie möglich zu halten.«
Incomos Worte beruhigten Hokanu keineswegs; daß der Berater es für nötig hielt, diese Dinge besonders zu betonen, bewies, daß er ebenfalls besorgt war. Das Spiel würde weitergehen – ganz egal, ob Lady Mara sich zusammenreißen und daran teilnehmen konnte oder nicht.
»Wir werden es nicht an Ehre für den dahingeschiedenen jungen Herrn fehlen lassen«, fügte Irrilandi hinzu, »doch würde ich vorschlagen, daß Ihr an der Seite Eurer Lady bleibt und Euch darauf vorbereitet, ihre Anweisungen zu deuten.«
Höflich und taktvoll hatten die hohen Offiziere des Hauses Acoma anerkannt, daß ihre Mistress weiterhin unfähig blieb. Hokanu spürte Dankbarkeit für diese Männer in sich aufsteigen, die ruhig und fest darauf vorbereitet waren, ihre Schwäche auszugleichen. Er versuchte ihnen zu versichern, daß das Haus Acoma nicht wie ein führungsloses Schiff in der Strömung des Unglücks treiben würde. »Ich werde bei meiner Lady sein. Sie ist von eurer Hingabe gerührt und läßt mich euch sagen, daß ihr nicht zögern sollt, euch zu nähern, falls ihr Schwierigkeiten oder Sorgen haben solltet.«
Herr und Diener tauschten einen wissenden Blick aus. Dann verneigte sich Irrilandi. »Mehr als tausend Soldaten haben zu Turakamu gebetet, sie anstelle des jungen
Weitere Kostenlose Bücher