Die Schwarzen Roben
keine andere Wahl. Ich habe vor Jiro von den Anasati Schande über den Namen der Acoma gebracht. Wir dürfen keinen Krieg führen, um unsere Schmach zu sühnen. Doch ich werde mich auch nicht in mein Schwert stürzen. Dies ist eine Sackgasse, für die die Tradition keine Antwort bereithält. Der Lord der Anasati muß sterben, aber ich werde mich nicht dazu herablassen, Attentäter anzuheuern. Jiro hat meine Schande bereits dazu benutzt, Feinde aufzuhetzen. Er hat damit begonnen, unzufriedene Lords aus dem ganzen Kaiserreich in eine geschlossene Partei von Traditionalisten zu verwandeln, und Ichindars Herrschaft ist genauso gefährdet wie der Fortbestand des Namens der Acoma. Mein einziger Erbe ist tot, somit wäre mein ritueller Selbstmord keine Alternative. Wenn ich das, wofür ich gelebt habe, retten will, müssen wir langfristig, über viele Jahre hinweg planen. Jiro muß durch meine Hand sterben; wenn nicht im Krieg, dann im Frieden, trotz des Willens der Versammlung der Magier.«
Vier
Die Zeit der Not
Jemand bewegte sich.
Auf einem Stapel aus Stoffballen, teilweise durch einen weiteren, schiefen Stapel verborgen, hörte Arakasi ein knirschendes Geräusch, als ob jemand auf die mit kleinen Steinchen übersäten Bodendielen getreten wäre. Er erstarrte. Die Entdeckung, daß er nicht allein in der düsteren Lagerhalle war, verschaffte ihm Unbehagen. Lautlos kontrollierte er seine Atmung; er zwang seinen Körper, sich zu entspannen, um bei der ungünstigen Position jeden Muskelkrampf zu vermeiden. Aus einiger Entfernung würde seine Kleidung sich nicht von den Waren unterscheiden, die hier gelagert waren; er wäre nur ein weiteres Stück zusammengefalteter Stoff, das aus den Bändern gerutscht war. Einer näheren Betrachtung würde die Täuschung allerdings nicht standhalten. Sein grobgewebtes Gewand konnte niemals als feines Leinen durchgehen. Vielleicht hatte er sich in eine Falle begeben, als er sich ausgerechnet dieses Gebäude als Unterschlupf ausgesucht hatte, um vermeintliche Verfolger abzuschütteln. Nachdenklich schloß er die Augen, um seine anderen Sinne zu schärfen. Die Luft war muffig von verschüttetem Korn und ausgelaufenen Gewürzfässern. Der Geruch von Harz, mit dem die Dachschindeln abgedichtet wurden, vermischte sich mit dem des verschimmelten Leders der Türangeln. Diese Lagerhalle lag so nahe an den Docks, daß der Boden überschwemmt wurde, wenn der Fluß im Frühling anstieg und über die Deiche trat.
Minuten vergingen. Gedämpft drangen Geräusche von den Docks durch die Wände: der rauhe Streit eines Seemanns mit einer Frau der Ried-Welt, Hundegebell, das unaufhörliche Rumpeln von Rädern, als die schweren Rollwagen die Anlegestellen am Fluß verließen. Der Supai der Acoma strengte sich an, die entfernte Geräuschkulisse in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen; ein Geräusch nach dem anderen versah er mit einem imaginären Etikett, während der Tag draußen schwand. Eine Gruppe schreiender Straßenkinder rannte die Straße entlang, und der geschäftige Handel beruhigte sich. Noch hatte nichts Unheilvolles seine Ohren erreicht, nur die Rufe der Lampenanzünder, die die Straße am Ende dieser Gasse versorgten. Noch lange, nachdem jemand anderer längst geschlossen hätte, daß die vorherige Störung nur eine Einbildung gewesen war – und das, was wie Schritte geklungen hatte, sicherlich nur das Resultat von Streß und Einbildung –, verhielt sich Arakasi absolut still.
Seine Nackenhaare waren immer noch warnend aufgerichtet. Er gehörte nicht zu den Menschen, die Risiken eingingen. Geduld war alles, wenn es um Täuschungen, List und Gegenlist ging –
Seine Ausdauer wurde schließlich belohnt, als ein schwaches Scharren ihm verriet, daß ein Gewand an Holz entlangstreifte oder ein Ärmel an einem Stützbalken. Aus Zweifeln wurde häßliche Gewißheit: Es war noch jemand in der Lagerhalle.
Arakasi betete stumm zu Chochocan, dem Guten Gott, ihn diese Begegnung überleben zu lassen. Wer immer dieses dunkle Gebäude betreten hatte, würde keine harmlosen Gründe dafür haben. Dieser Eindringling konnte kaum ein Diener sein, der sich zu einem verbotenen Nickerchen in der Nachmittagshitze davongestohlen und dann das Abendessen verpaßt und bis in die Nacht verschlafen hatte. Arakasi mißtraute dem Zufall grundsätzlich; fälschlicherweise etwas anderes anzunehmen, konnte ihn das Leben kosten. Angesichts der späten Stunde und der besonderen Vorsicht, die sein Verfolger bewiesen
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