Die Schwarzen Roben
›Männer haben Kehlen und Dolche scharfe Klingen.‹«
Der andere nahm den Ratschlag mit einem Seufzer an. »Wie lange müssen wir Wache halten?«
»Wenn man uns nicht sagt, daß wir gehen können, bleiben wir bis kurz vor Tagesanbruch hier. Es bringt nichts, wenn wir uns fangen lassen und vielleicht wie gewöhnliche Diebe von Wachen getötet werden.«
Ein unverständliches Grollen beendete die Unterhaltung.
Arakasi machte sich auf eine lange, ungemütliche Wartezeit gefaßt. Jeder Muskel seines Körpers würde am nächsten Morgen völlig verkrampft sein, und die Splitter machten die Sache auch nicht besser; doch sollte er erwischt werden, würden die Konsequenzen ungleich schlimmer sein. Die lockeren Zungen seiner Verfolger hatten seinen schlimmsten Verdacht bestätigt: Er wurde von einem anderen Spionagenetzwerk verfolgt. Wer immer den beiden im Lagerhaus Befehle gab, wem immer sie Bericht erstatteten – der Mann an der Spitze ihres Netzwerks arbeitete für jemanden, der verflucht schlau war; jemand, der eine Spionageorganisation aufgebaut hatte, die seiner Aufmerksamkeit bis jetzt völlig entgangen war. Arakasi dachte über diese Tatsache nach und spürte Angst in sich aufsteigen. Nur der Zufall und seine Intuition hatten ihn gerettet, als seine komplizierten Sicherheitsmaßnahmen versagt hatten; eingezwängt zwischen Stoffballen in diesem dunklen, stickigen Lagerhaus erschien ihm diese Erkenntnis noch quälender.
Erfahren mochten sie sein, die Männer, die hinter ihm her waren, aber nicht so gut, daß sie auf müßige Gespräche verzichtet hätten. Die Schlußfolgerung lag auf der Hand: Ihr Herr hatte sie auf einen Mann angesetzt, den er innerhalb des Netzwerks, das er zu knacken versuchte, für einen Verbindungsmann niederen Ranges hielt. Arakasi unterdrückte ein leichtes Frösteln. Es war ein Zeichen seines tief in ihm verwurzelten Mißtrauens, daß er gelegentlich kleine Aufträge selbst durchführte, sooft es eben ging. Sein unbekannter Feind durfte niemals herausfinden, wer er wirklich war, wie weit oben in der Hierarchie des Netzwerks er stand oder wem er Bericht erstattete. Möglicherweise hatte er hier den gefährlichsten Gegner vor sich, dem er jemals begegnet war. Irgendwo hatte Lady Mara einen Feind, dessen Raffinesse ihn zur bisher größten Bedrohung machte – größer als alles, womit sie es bisher hatte aufnehmen müssen. Wenn Arakasi nicht lebend aus Ontoset zurückkam, wenn er die Nachricht nicht nach Hause bringen konnte, würde der nächste Schlag seine Lady unvorbereitet treffen. Der Schmerz in seiner Brust erinnerte den Supai daran, daß er schnell und oberflächlich atmete, und er zwang sich zur Ruhe.
Seine Sicherheitsmaßnahmen waren durchbrochen worden, als er nicht die leiseste Ahnung von der drohenden Gefahr hatte. Die ganze Vorgehensweise zeugte von vorsichtiger Planung. Die zweite Aufgabe des Maklers mußte entdeckt worden sein; wie, konnte er nur vermuten, doch die Reisenden an den Docks von Ontoset waren intensiv genug beobachtet worden, um zwischen regulären Händlern und Fremden unterscheiden zu können. Daß die beiden, die jetzt hier im Lagerhaus auf der Lauer lagen, schlau genug gewesen waren, ihn in zwei verschiedenen Verkleidungen zu erkennen und ihn als Kurier oder Aufseher zu bezeichnen, verhieß nichts Gutes.
Arakasi überdachte den Schaden. Er würde den Makler austauschen müssen. Ein bestimmter Sklave würde an einer scheinbar natürlichen Todesursache sterben, und der Laden würde geschlossen werden müssen. Letzteres war eine bedauerliche Notwendigkeit, denn wenn er auch Teil des Netzwerks war, so war dieser Laden doch eines der wenigen gewinnbringenden Unternehmen, die vom Netzwerk genutzt wurden. Er trug sich selbst und stellte noch einen Fundus für andere Agenten zur Verfügung.
Graues Licht drang durch einen Riß in der Wand. Die Morgendämmerung nahte, doch die Männer machten keinerlei Anstalten zu gehen. Sie waren nicht eingeschlafen, sondern warteten gegen alle Wahrscheinlichkeit, daß der Mann, den sie suchten, in letzter Sekunde doch noch auftauchen würde.
Die Minuten zogen sich dahin. Draußen wurde es allmählich heller. Wagen und Karren rumpelten vorbei; Obst-, Gemüse-, oder Fischhändler, die ihre Waren noch vor der größten Hitze ans Ufer brachten, wo sie verladen werden sollten. Der Gesang einer Gruppe von Ruderern erhob sich in unmelodischem Gleichklang, übertönt von dem Geschimpfe einer Frau, die ihren betrunkenen Ehemann
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