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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
endlich hatte der Färber von der anderen Straßenseite seinen ältesten Lehrling befördert. Der Sohn des Händlers, der sich für die jetzt freigewordene Stelle beworben hatte, war ein Agent der Acoma. Endlich konnte Arakasi damit beginnen, sein Netzwerk neu aufzubauen. In dem Lagerhaus waren seit dem Desaster seiner Beinahe-Gefangennahme nur normale Geschäfte abgewickelt worden. Der Eigentümer hatte seine Degradierung vom Spion zum Makler mit steinernem Gesicht hingenommen. Er brannte genauso wie Arakasi darauf, einige Angestellte und Schauerleute zu entlassen, doch dies durfte nicht überstürzt geschehen. Die Männer waren wertvoll, und einige von ihnen würden auch als Agenten in anderen Positionen nützlich sein, aber nicht, solange das Lagerhaus noch von den Feinden beobachtet wurde. Und gemessen daran, wie unauffällig das Netz funktionierte, das ihn beinahe erwischt hätte, wagte Arakasi nicht, von anderen Voraussetzungen auszugehen. Er mußte das Problem ganz langsam und sorgfältig von einem anderen Punkt aus angehen. Ein Agent im Hause des Färbers, der sich aufmerksam danach umschauen konnte, wer noch immer das Lagerhaus beobachtete, würde ihm eine Menge sagen können.
    Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er nicht zu viel Zeit auf dem Abort verbringen durfte. Er verrichtete seine Notdurft und ging durch die quietschende Holztür wieder hinaus. Dabei kam ihm der unangenehme Gedanke, daß die Stelle im Laden des Färbers womöglich doch nicht so zufällig frei geworden war. Wenn er selbst jener überaus kluge Feind wäre, würde er dann nicht versuchen, seinen eigenen Agenten in diese Position zu bringen? Was gab es denn für eine bessere Möglichkeit, das Lagerhaus zu überwachen? Schließlich waren Herumtreiber oder Bettler an irgendwelchen Hausecken weitaus verdächtiger als normale Angestellte.
    Kalte Gewißheit jagte ihm einen Schauer über den Rücken; dieser Feind war ebenso klug wie er. Arakasi fluchte und wirbelte herum. Aufgeregt vor sich hinmurmelnd – als ob er etwas vergessen hätte – schubste er den Sohn eines Viehtreibers beiseite, der quer über den Hof auf den Abort zuging, und stürmte wieder hinein.
    »Die Götter seien gepriesen, da ist er«, murmelte er, als ob es völlig normal wäre, wichtige Dinge in stinkenden öffentlichen Einrichtungen liegenzulassen. Mit einer Hand riß er einen Perlmutt-Knopf von seiner Manschette ab, mit der anderen wischte er den Kopf der Kreidefigur aus und kratzte mit dem Fingernagel ein obszönes Symbol daneben.
    Er hastete hinaus und zuckte angesichts des wütenden Jungen entschuldigend mit den Schultern. »Ein Glücksbringer von meiner Liebsten. Sie bringt mich um, wenn ich ihn verliere.«
    Der Viehtreiber-Junge schnitt eine freundliche Grimasse und beeilte sich, in den Abort zu kommen; so, wie er aussah, hatte er mehr Bier getrunken, als gut für ihn war. Arakasi wartete, bis die Tür ins Schloß gefallen war; erst dann glitt er in den Wald am Straßenrand. Mit ein bißchen Glück würde der Köhlerbursche innerhalb der nächsten Woche wieder vorbeikommen. Er würde das veränderte Kreidezeichen sehen – und das obszöne Symbol, das bedeutete, den Versuch, den Agenten als Lehrling des Färbers einzusetzen, nicht fortzuführen. Während sich Arakasi unter einem für diese Jahreszeit ungewöhnlich grauen Himmel lautlos zwischen den Nadelbäumen hindurchbewegte, kam er zu dem Schluß, daß es vielleicht wirklich mehr bringen würde, den Burschen, der schließlich Lehrling werden würde, genau zu beobachten. Wenn er unschuldig war, würde ihm kein Leid geschehen; doch wenn er ein Doppelagent war – wie Arakasis Intuition ihm drängend zuflüsterte –, dann würde er sie womöglich zu seinem Herrn führen …

    Später lag Arakasi bäuchlings unter tropfenden Büschen und zitterte in der ungewohnten Kälte der nördlichen Ebenen. Der leichte Regen und eine frische Brise vom See her schienen sich gegen ihn verschworen zu haben. Doch er hatte zu den verschiedensten Gelegenheiten schon viele Stunden hier verbracht. Die in den See hinausragende, dicht bewaldete Halbinsel war ein hervorragender Beobachtungspunkt, von dem aus er nicht nur die Torbrücke im Auge behalten konnte, sondern auch den Anlegeplatz, wo Diener, deren Loyalität ausschließlich den Magiern galt, die Waren auf kleine Boote umluden und zur Stadt hinüberruderten. Ihm war schon lange klargeworden, daß der Versuch, sich auf einem Versorgungswagen einzuschmuggeln, von vornherein zum

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