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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Beschäftigung aufgesehen hatte, und lachte. Dann kam er herein, schlug die Tür hinter sich zu und leuchtete mir mit der Fackel ins Gesicht.
    »Spielen Sie Würfel?«, fragte er.
    »Warum, haben Sie Geld zu verlieren?«
    Er grinste und schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts zu verlieren. Sie schon.« Er sah nachdenklich von der Fackel zu mir und zurück. Sein Gesicht war immer noch gerötet, und seine Augen glänzten. Von welcher Tätigkeit auch immer ihn mein Herumspionieren weggelockt hatte, er hatte sie genossen, und es sah aus, als suchte er jetzt nach einem Ersatz dafür. Die Flammen schienen ihn auf einen Gedanken zu bringen. Er fuhr mit der Hand langsam hindurch und schüttelte dann seine Finger aus. »Ganz schön heiß«, murmelte er lächelnd.
    Ich versuchte meinen Mund zu befeuchten. »Sie machen einen Fehler«, sagte ich und wusste selbst, wie abgedroschen das klang.
    Chaldenbergen wandte sich an die männliche Dirne, mit der ich geredet hatte. »Siehst du«, erklärte er langsam, »ich drohe ihm an, ihm die Augen auszubrennen, und es kommt immer noch keine Polizei.«
    Der Mann nickte unglücklich. Er vermied es, mich anzusehen. Er mochte meinen Bluff geglaubt haben oder nicht, jedenfalls hatte er einen schwachen Versuch unternommen, mich zu retten.
    »Wenn er wirklich die Polizei mitgebracht hätte, dann würde sie doch jetzt eingreifen, meinst du nicht auch?«
    Die Tür öffnete sich, und einer der Bediensteten kam herein. Er flüsterte Chaldenbergen aufgeregt ins Ohr. Chaldenbergen riss die Augen auf. Ein zweiter Mann schlenderte zur Tür herein und sah sich mit interessierter Miene um. Auch er trug eine Fackel. Er schenkte mir ein kaltes Lächeln. Ich spürte, wie meine Knie weich wurden.
    »Sie haben sich aber Zeit gelassen«, stieß ich hervor.
    »Ich platze nicht gern in eine so fromme Festlichkeit«, erklärte Calendar.
    »Nennen Sie mir Ihren Namen«, befahl Chaldenbergen. Calendar drehte sich zu ihm um. Chaldenbergen musterte den Polizisten hochmütig, dann wandte er sich dem Bediensteten zu, der eben zur Tür hereingekommen war, und flüsterte ihm einen Befehl ins Ohr. Der Dienstbote schlich seitwärts zur Tür, ohne den Polizisten aus den Augen zu lassen. Calendars Blick huschte zu ihm hinüber, und er schüttelte den Kopf und machte ein tadelndes Geräusch mit der Zunge. Der Diener blieb stehen und senkte die Augen. Chaldenbergen erbleichte vor Wut. »Ihren Namen!«, stieß er hervor.
    Calendar schloss in aller Seelenruhe die Tür. Es wurde wieder dunkel in dem leeren Raum; die zusätzliche Fackel in der Hand des Polizisten warf nicht mehr als ein schwaches Licht. Mir wurde bewusst, dass die beiden männlichen Dirnen mich noch immer festhielten. Mit einem Ruck machte ich mich los.
    »Wir wollen doch Ihre Freunde da draußen nicht stören«, sagte Calendar liebenswürdig. »Wenn man aus so einer Beschäftigung plötzlich aufgeschreckt wird, kann es sein, dass die Männlichkeit unwiderruflich zu Schaden kommt.«
    Etwas passierte in Chaldenbergens Blick, die Machtverhältnisse schienen sich zu verschieben. Auch Calendar registrierte die Veränderung. Offensichtlich war dem Kaufmann ein Trumpf eingefallen, den er noch in der Hinterhand hielt.
    »Meinen Namen können Sie dem Anklageprotokoll entnehmen«, erklärte Calendar. »Es wird Ihnen vorgelesen, während Ihnen der Gefängnisaufseher die Ketten anlegt.«
    Chaldenbergen lachte. Calendar winkte mir zu. Ich trat die paar Schritte an seine Seite und fühlte mich bedeutend wohler. Chaldenbergen hörte auf zu lachen und grinste. Er erinnerte mich dabei an eine Katze, wenn sie die Maus so weit entkommen lässt, dass diese sich trügerischerweise in Sicherheit wähnt. Calendar sah mir kurz in die Augen; ich zuckte mit den Schultern.
    Er deutete auf die zwei Männer, die mich festgehalten hatten. Ihre Mienen wurden finster.
    »Euch kenne ich«, sagte er.
    »Wir arbeiten hier«, erwiderte der eine von ihnen trotzig. »Sonst nichts.« Er machte eine Pantomime, als hätte er am Tisch bedient.
    Calendar nickte. »Der Lohn für diese Arbeit sind ein paar Längen Schiffstau, das sich um deinen Hals zuzieht, während du aus einem Fenster im Palazzo Ducale hängst und einen wunderschönen letzten Blick auf Santa Maria Maggiore hast.« Er legte einen Finger an die Nase und machte die Geste des Aufschlitzens. »Vorher wird euch jedoch noch die Strafe für diejenigen zuteil, die ihren Hintern für Geld verkauft haben.«
    Die beiden ballten die Fäuste und

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