Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
geworden war, worauf ich hinauswollte. Der Griff um mein Handgelenk lockerte sich; ich ließ die Maske los. Als Calendar geendet hatte, deutete mein Gegenüber eine knappe Verneigung an. Ich revanchierte mich mit einem höfischen Kratzfuß fast bis zum Boden. Als ich aufblickte, stapfte der Mann mit der Maske bereits davon, stieß den herbeieilenden Chaldenbergen aus dem Weg und ließ sich auch nicht aufhalten, als dieser hastig auf ihn einredete. Er pfiff, und aus dem Liebesgetümmel auf dem Boden löste sich der zweite Maskenträger und eilte bestürzt auf ihn zu. Sie steckten die Köpfe zusammen, während sie den Saal verließen. Chaldenbergens Blicke folgten ihnen fassungslos. Ich wartete, bis er sich zu mir umwandte, dann lächelte ich und machte meinerseits die Geste des Halsabschneidens. Sein Gesicht schwoll an.
    »Treiben Sie es nicht auf die Spitze«, zischte Calendar und fasste meinen Arm. »Machen wir, dass wir hier rauskommen.«
    Er zerrte mich zu der Tür, durch die auch die Maskenträger verschwunden waren. Chaldenbergen starrte uns hinterher. Ich machte meinen Arm los.
    »Holen Sie endlich Ihre Männer rein«, forderte ich ungeduldig. »Ich führe sie zu der Kammer, wo Caterina gefangen gehalten wird.«
    Calendar eilte vor mir die Treppe hinunter. Ich folgte ihm notgedrungen. Hinter uns öffnete sich die Tür zum Saal erneut, und Chaldenbergen kam zum Treppenabsatz und sah uns nach. In seinem Gesicht arbeitete es. Er sagte kein Wort.
    »Calendar«, rief ich, während ich dem Polizisten in den dunklen Durchgang nach draußen hinterherlief, »warten Sie doch, zum Teufel.«
    Calendar stieß die Tür auf und stapfte nach draußen. Auf dem rio schwamm bereits eine der Gondeln. Ich war sicher, dass unter dem kleinen gebogenen Baldachin zwei Männer saßen, die jetzt ihre Masken abnahmen und sich grimmig darüber unterhielten, welchen Streich ihnen dieser verfluchte tedesco -Kaufmann gespielt hatte.
    »Wo haben Sie denn Ihre Leute postiert?«
    Calendar schritt weiter, ohne anzuhalten.
    »Es gibt keine Leute«, sagte er über die Schulter. »Ich bin allein hierher gekommen.«
    Wir bogen in den campo ein, der bei Chaldenbergens Haus lag. Ich sprang Calendar hinterher und hielt ihn am Arm fest. Er riss sich los, aber ich packte ihn erneut, und schließlich blieb er stehen. Er wandte sich zu mir um und machte eine resignierte Miene.
    »Sind Sie verrückt?«, fragte ich. »Allein herzukommen.«
    »Sie sind ja ebenfalls allein hier.«
    »Ich habe auch nicht den Polizeiapparat der ganzen Stadt im Rücken.«
    »Ich glaube, Sie überschätzen meine Kompetenzen.«
    »Wer war der Mann mit der Maske? Leonardo Falier, habe ich Recht?«
    »Nein, aber nahe dran. Es war Zehnerrat Marco Barbarigo. Der zweitmächtigste Mann im consiglio .«
    »Verflucht«, sagte ich.
    »Ja.«
    »Warum sind Sie hier?«
    »Nicht Ihrer treuen Augen wegen, das können Sie mir glauben.«
    »Ihre Männer haben die zwei Kerle gefunden, die mich überfallen haben.«
    »Sie haben nichts gefunden.«
    »Einen hatte ich gefesselt, und einer war … er war also doch noch nicht tot. Er ist zu sich gekommen, hat seinen Kumpan befreit, und sie sind gemeinsam geflohen.«
    Calendar zuckte mit den Achseln. Er machte Anstalten weiterzugehen, aber ich ließ seinen Ärmel nicht los.
    »Also gut, Sie glauben mir nicht. Dann sagen Sie mir doch den wahren Grund, warum Sie hier sind.«
    »Ich habe Barberros Liegepapiere überprüfen lassen, weil ich ihm nicht glaubte, dass er den Jungen, den ich suche, in Ancona verkauft hat. Den Papieren nach könnte es jedoch möglich sein. Ich habe eine Botschaft zu unseren Verbindungsleuten nach Rom geschickt, um die Geschichte mit dem Kardinal nachzuprüfen und den Jungen gegebenenfalls freizukaufen. Ich habe bis jetzt noch keine Antwort erhalten. Die Zeit ist zu kurz.«
    »Lassen Sie ihn verhaften.«
    »Ich habe nichts gegen ihn in der Hand.«
    »Sie haben einen Verdacht, Sie sind Polizist, und Sie suchen nach einem Kind, das für die Serenissima wichtig ist. Man sollte glauben, das genügt.«
    »Ich nehme an, es ist nicht von ungefähr, dass man mich mit der Suche beauftragt hat.«
    »Sie glauben, jemand will Sie reinlegen?«
    Er lachte. »Ich bin zu klein, als dass es jemandem nützen würde, mich reinzulegen. Man hätte mich bloß auf dem Fischerboot verkommen lassen müssen, wenn es darum ginge.«
    »Dann nehmen Sie an, dass der Junge gar nicht gefunden werden soll. Man hat Sie beauftragt, weil man Sie ohne weiteres als

Weitere Kostenlose Bücher