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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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verständigten sich mit einem Blick, der Calendar nicht entging. »Mir fällt jedoch ein, dass ich zwei Spitzel bezahlt habe, sich auf diese Feier einzuschleichen und mich im richtigen Moment zu benachrichtigen.«
    Ich musterte Chaldenbergen, während die zwei Prostituierten einen Moment lang nachdachten und dann Calendars Brücke mit einem heftigen Kopfnicken betraten. Er sah keineswegs beunruhigt aus. Den Abfall seiner beiden Verbündeten beobachtete er amüsiert, ohne etwas zu sagen.
    »Dieser Mann hier ist mein Mitarbeiter«, erklärte Calendar und deutete auf mich. »Und diesen da«, er wies auf Chaldenbergen, »werden wir jetzt mit in den Dogenpalast nehmen.«
    Calendars neu ernannte Spitzel traten seufzend zu Chaldenbergen und stellten sich links und rechts von ihm auf. Obwohl sie zierlich und schlank gebaut waren, überragten sie ihn. Mir fiel auf, dass die Schultern des kleinen Kaufmanns nicht mehr ausgepolstert waren. Es sah aus, als habe er sich nur hastig etwas übergestreift, bevor er vorhin den Saal betreten hatte. Chaldenbergen sah sie lächelnd an. Sie wichen seinen Blicken aus.
    »Gehen wir«, sagte Calendar und warf Chaldenbergens übrig gebliebenem Dienstboten einen Blick zu, der diesen zur Seite weichen ließ. »Ganz schnell durch den Saal und hinaus.«
    »Lassen Sie das Haus von Ihren Männern durchsuchen«, sagte ich rasch zu Calendar. »Es gibt einen versteckten Gang und einen Raum …«
    »Wir gehen jetzt hinaus«, erklärte er fest und ohne mich eines Blickes zu würdigen.
    »Was soll das? Sie wissen doch, weshalb ich hierher gekommen bin. Ich glaube, ich habe herausgefunden, wo das Mädchen steckt und wo …«
    Er sah mich mit einem mörderischen Blick an, der mich innehalten ließ. »Bewegen Sie sich«, zischte er. »Sofort.«
    Er ließ Chaldenbergen und seine Begleiter vorgehen. Der Kaufmann reichte seine Fackel seinem Dienstboten, als wäre nichts. Calendar und ich kamen hinterdrein. Als ich in den Saal hinaustrat, fröstelte ich plötzlich. Der Anblick im Saal ähnelte dem Bild, das man sich gemeinhin von einem Fest in einem dekadenten römischen Palast macht, vor fünfzehnhundert Jahren, während der verrückte Kaiser Nero die Stadt verbrannte. Ich zweifelte nicht, dass auch an mir die Flammen einer Fackel erprobt worden wären, bevor eine Klinge durch meine Kehle fuhr, und vielleicht wäre das Letzte, was ich auf Erden gehört hätte, das reptilische Grunzen eines von Chaldenbergens Gästen gewesen, der eine der Tänzerinnen bestrampelte und seine Lust nicht mehr zurückhalten konnte. Ich räusperte mich.
    Calendar schob Chaldenbergens Bewacher vor sich her, als diese ihm zu langsam gingen. Er sah sich mit schmalen Augen überall um, doch niemand achtete auf uns. Ich hatte gedacht, er hätte seine Männer an allen Ausgangstüren verteilt, aber ich sah keinen von ihnen. Soeben taumelte ein Betrunkener in Richtung Abtritt hinaus. Niemand hielt ihn auf.
    Chaldenbergen begann plötzlich mit lauter Stimme zu klagen, und Calendar fuhr herum und starrte ihn überrascht an. Chaldenbergen rief in das Getümmel auf den Kissen hinein und machte eine Szene, als würden ihm die Arme bei lebendigem Leib ausgerissen. Seine beiden Bewacher zuckten zurück. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, aber ich fühlte eine harte Hand auf meinem Arm, die mich festhielt. Ich sah in Calendars grimmiges Gesicht.
    »Warum haben Sie mir das nicht gesagt, Sie verdammter Narr?«, stieß er hervor.
    »Was denn?«
    Mehrere Dutzend Augenpaare starrten uns von den Kissen her an; zwischen den erhitzten Gesichtern sah ich die ausdruckslosen schwarzen Larven der beiden Masken. Aus dem Kissengewühl bellte jemand einen Befehl. Ich konnte nicht erkennen, wer es gewesen war, aber dann erhob sich einer der Maskenträger, brachte sein Gewand in Ordnung und stolperte auf uns zu. In Calendars Gesicht spiegelten sich Schreck, Erstaunen und vor allem unmäßige Wut.
    Chaldenbergen streckte die Hände nach dem Maskenträger aus und jammerte, dass es kein Fra Lippi und auch kein Donatello theatralischer hätte darstellen können. Er deutete auf Calendar und umarmte den Maskenträger, als dieser nahe genug heran war. Funkelnde Augen richteten sich auf den Polizisten. Dieser gab den Blick mit zuckenden Wangenmuskeln zurück und senkte dann zu meiner Überraschung den Kopf.
    »Was ist los?«, rief ich, doch ich erhielt keine Antwort. Der Mann mit der Maske beruhigte Chaldenbergen und klopfte ihm auf die Schulter. Dann winkte er Calendar

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