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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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entschloss, meine Fragerei als Affront anzusehen und seine Freunde zu holen, damit sie mich verprügelten und in den nächsten rio warfen?
    »Hör zu, Maladente«, sagte ich drängend. »Es ist wichtig. Ich will euch helfen.«
    »Helfen?« Hätte ich gesagt, ich sei direkt aus einer Wolke herabgestiegen, um ihn und seine Kameraden und die tote Katze dazu in Gold zu verwandeln, er hätte es eher geglaubt.
    »Ich suche den Jungen, der gestern als Zeuge ausgesagt hat. Als der tote Patriziersohn gefunden wurde. Hast du mich verstanden?«
    Maladentes Augen funkelten mich an. Er stürzte plötzlich nach vorn, um sich das Geld in meiner Hand zu schnappen, aber ich war schneller. Seine Finger waren in meiner Faust gefangen. Er versuchte, sie wegzuziehen, aber ich hielt ihn fest. Er knurrte ängstlich. Seine Freunde beobachteten uns. Selbst die verletzten Kämpfer interessierten sich mittlerweile mehr für uns als für ihre Wunden.
    »Hast du mich verstanden?«, wiederholte ich und versuchte seinen Blick festzuhalten.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte ich einen gestiefelten Fuß neben mir, und ich wusste, es war der Mann mit der Lederhaube. Ich wandte mich von Maladente ab und blinzelte zu ihm empor. Seine Hände ruhten an seiner Seite, dennoch spannte ich alarmiert meine Muskeln an.
    »Risponda!« , sagte der Mann zu meiner Überraschung in scharfem Ton. Maladente fuhr hoch, und ich ließ seine Hand los.
    Maladente rappelte sich auf und warf einen Blick von mir zu dem Mann. Ich stand ebenfalls mühsam auf.
    »Va all’inferno!« , zischte Maladente, spuckte auf den Boden, wirbelte herum und rannte mit wild pumpenden Beinen davon. Seine Kameraden flohen mit ihm. Ich machte Anstalten, ihnen nachzusetzen, aber der Mann hielt mich fest.
    »Lassen Sie sie in Ruhe«, sagte er.
    » Milite Calendar«, stieß ich hervor. »Laufen Sie mir nach, oder treffen wir uns nur rein zufällig immer wieder?«
    Calendar nahm die Lederhaube ab. Sein grau meliertes Haar war schweißnass und zerdrückt. Ich hätte ihn eher erkennen sollen; trotz der Lumpenverkleidung, die er gewählt hatte, wirkte er so elegant wie eh und je.
    »Ich dachte, ich hätte Ihnen geraten, zu verschwinden.«
    »Von hier noch nicht. Bisher haben Sie mich nur von zwei anderen Orten weggewünscht.«
    Er neigte den Kopf zur Seite. »Vielleicht habe ich ganz Venedig gemeint.«
    »Wie konnte ich das nur missverstehen?«
    Calendar musterte mich in seiner gelassen-überlegenen Art. Als ein Schweißtropfen in seinen Augenwinkel lief, zwinkerte er ihn weg, ohne sich die Mühe zu machen, ihn abzuwischen. Die Wut, die ich bereits seit dem Kampf verspürt hatte, wallte erneut in mir auf.
    »Wenn mir der Junge geantwortet hätte, wäre es Ihnen ganz recht gewesen!«, rief ich. »Oder warum haben Sie ihn dazu aufgefordert, es zu tun?«
    Calendars Miene verlor ein wenig von ihrer aufgesetzten Gelassenheit. Er blinzelte.
    »Haben Sie sich verkleidet, damit Sie in Ruhe ein paar piccoli auf denjenigen setzen können, der der Katze zuerst das Rückgrat bricht?«
    »Was glauben Sie?«
    »Natürlich nicht. Sie haben es getan, damit Sie sich in Ruhe unter den Pechvögeln hier umhören können. Hätte man Sie als Polizist erkannt, hätte man Sie wahrscheinlich anstelle der Katze dort an den Galgen gehängt!«
    Calendar verzog den Mund zu einem kalten Lächeln. Er hob die Augenbrauen und sagte: »Statt Kopfstößen hätte ich allerdings Knüppel, Steine und Messer zu spüren bekommen.«
    Seine Antwort ernüchterte mich ein wenig. Ich zweifelte nicht daran, dass er es ernst meinte.
    »Wonach suchen Sie?«, fragte ich ihn.
    »Dieses Spiel«, sagte er und blickte zu der Galgenkonstruktion hinüber, »begann mit einem Sack, der unten nur locker zugebunden war. Es waren Holzkugeln darin; ein paar davon waren gelb angemalt, so wie es die goldenen Kugeln bei der Dogenwahl gibt. Jeder konnte sich die Augen verbinden lassen und versuchen, eine Kugel mit Kopfstößen aus dem Sack zu schütteln. War es eine gelbe, erhielt man einen Teil des Einsatzes, den die Zuschauer setzten; war es eine andere, erhielt man nichts außer Beulen. Blut floss dabei keines.«
    »Ich kenne das Katzenspiel aus meiner Heimat.«
    »Die Sitten verrohen unterschiedlich schnell, aber sie verrohen auf jeden Fall.«
    »Ich kenne es allerdings ohne das Wetten.«
    Calendar neigte den Kopf. »Alles wird in Venedig verfeinert.«
    »Wenn Sie den zweiten Zeugen von gestern suchen, glauben Sie so wenig wie ich an einen Zufall, dass der erste

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