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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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erinnerte ich mich der leichten Last, als ich den kleinen Beutelschneider vor dem Arsenal geschnappt hatte. Caterina sah nicht aus wie eine Fünfzehnjährige; ich hätte sie auf höchstens zwölf geschätzt, fast noch ein Kind. Dies und das helle, schmucklose Gewand erinnerten mich an Fiuzetta. Wohin auch immer Rara de Jadra ihren ehemaligen Schützling Fiuzetta vermittelt hatte, ein Leben in Freiheit war daraus nicht geworden, und wenn sie ihr außer dem Gewand noch einige Ratschläge mit auf den Weg gegeben hatte, dann schien die junge Frau nicht darauf gehört zu haben.
    Das Gespräch mit Caterina war schwierig. Nicht, weil es nur mithilfe Raras ging, die hin und her übersetzen musste; nicht, weil es mir schwer fiel, eine hinreichend plausible Geschichte zu ersinnen, die mit Fratellinos angeblichem Diebstahl und meiner großmütigen Gnade zu tun hatte; nicht, weil ich nicht wusste, wie ich Caterina die Dringlichkeit meines Anliegens darlegen sollte, ohne mich in Widersprüche zu verstricken. Schwierig war das Gespräch deshalb, weil das Mädchen vor Angst nicht wusste, wohin es blicken sollte.
    Als ich geendet hatte und mich zurücklehnte, war ich mir nahezu sicher, dass nichts von dem angekommen war, was ich hatte mitteilen wollen. Caterina verabschiedete sich mit einem Flüstern und folgte Rara wieder hinaus, der Schatten eines Menschen in einem weißen Gewand. Ich sah zu den leichenfarbenen Gestalten hinauf, die sich über die Decke zogen, aber auch sie hielten keinen Rat für mich bereit.
    Rara kehrte zurück und blieb in der Mitte des Saals stehen. Ihre Miene war verschlossen und wirkte düster. Zu meiner Überraschung sah ich, dass ihre Augen in Tränen schwammen.
    »Sie ist starr vor Trauer, dass sie dieses Haus bald verlassen muss«, seufzte Rara. »Aber ich kann die Mädchen nicht länger behalten.«
    »Ist es denn so furchtbar dort, wohin Sie sie senden werden?«
    Rara schüttelte den Kopf; der Schatten eines Lächelns huschte plötzlich über ihre Züge und hellte sie auf.
    »Aber nein«, sagte sie und wischte sich mit der Handfläche über die Wangen, »aber nein. Wenn ich Glück habe …« Sie ließ den Satz unvollendet. Dann breitete sie die Arme aus. »Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, hierher zu kommen.«
    »Es war wohl vergeblich. Caterina konnte mir weder sagen, wie ich ihren Bruder finden könnte, noch machte sie den Eindruck, als habe sie meine Botschaft, er solle sich an mich wenden, verstanden.«
    »Sie braucht nur ein wenig Zeit, bis Ihre Worte zu ihr durchdringen. Im Augenblick hat in ihrem Herzen nichts Platz außer ihrem Leid.«
    »Wenn Sie Einfluss auf sie haben, drängen Sie sie. Ich bin nicht mehr allzu lange hier, und meine Seele wird keine Ruhe finden, bevor ich diese Angelegenheit bereinigt habe.«
    »Ich tue, was ich kann …«
    Ich nickte und stand auf.
    »… wenn Sie etwas für mich tun.«
    Ich begann sofort nachzurechnen, wie viel Geld ich einstecken hatte und wie viel davon ich ihr geben sollte; doch Rara schüttelte den Kopf und lächelte erneut.
    »Ich verlange kein Geld von Ihnen. Eine Gabe wirkt nur Gutes, wenn sie freiwillig getan ist.«
    »Ich hatte nur meine Gedanken woanders … verzeihen Sie … selbstverständlich …«
    »Begleiten Sie mich auf den Sklavenmarkt.«
    Ich hielt verblüfft in meinem verlegenen Kramen in meiner Börse inne. »Wie bitte?«
    »Nicht einmal ich kann als Frau allein auf den Sklavenmarkt gehen. In der Regel miete ich einen Dienstboten, oder ich lasse mich von einem Mönch oder einer Nonne begleiten. Wenn Sie mir die Ehre erweisen, für den heutigen Tag mein Begleiter zu sein, kann ich mir diese Geldausgabe sparen.«
    »Ist denn jeden Tag Sklavenmarkt?«, brachte ich hervor.
    »Natürlich nicht. Aber die Serenissima hat ein paar Piratenschiffe aufgebracht, und es ist manchmal der eine oder andere dabei, der noch nicht zu verdorben ist, um irgendwo arbeiten zu können, und der seinen früheren Taten abschwört, wenn er den Galgen im Nacken spürt.«
    »Ich dachte, Sie nehmen nur Mädchen auf.«
    »Sie haben mich nicht zu Ende reden lassen«, erklärte sie leise. »Meistens haben die Piraten selbst eine menschliche Fracht – Gefangene von überfallenen Schiffen, Entführte, Geiseln, die sie tributpflichtigen Küstenstädten abgepresst haben.«
    »Diese Unglücklichen werden hier auf dem Sklavenmarkt verkauft?«
    »Wenn sie nicht selbst für sich sprechen können oder einen Gönner finden …«
    Ich schüttelte

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