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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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aufsteigen. »Ich möchte, daß Sie so schnell wie möglich ein paar Punkte klarstellen, Lewis. Rufen Sie an, wenn Sie wollen, oder gehen Sie bei den Leuten vorbei. Ich möchte wissen, wo Roope heute abend war, wo Martin war, wo Miss Height war …«
    Bell fiel ihm ins Wort. »Wo Miss Height war, wissen wir, ich habe gerade mit dem Sergeant darüber gesprochen. Sie war hier. Sie hat ihn gefunden.«
    Das kam Morse unerwartet und schien ihn etwas aus dem Konzept zu bringen. »Wo ist sie jetzt?«
    »Es geht ihr gar nicht gut. Sie hat uns über den Notruf verständigt, dann ist sie offenbar in Ohnmacht gefallen. Man hat sie vor der Telefonzelle an der Ecke gefunden. Der Arzt hat sie untersucht und sie für die Nacht ins Radcliffe eingewiesen.«
    »Sie hat eine halbwüchsige Tochter.«
    Bell legte Morse die Hand auf die Schulter. »Keine Aufregung, alter Junge. Das ist alles geregelt. Ein bißchen was müssen Sie uns auch zutrauen.«
    Morse setzte sich in einen Sessel. Hatte er die Dinge nicht mehr im Griff? Er schloß erneut die Augen und atmete ein paarmal tief durch. »Tun Sie trotzdem, was ich sage, Lewis. Setzen Sie sich sofort mit Roope und Martin in Verbindung. Und noch etwas. Fahren Sie zum Littlemore und sehen Sie zu, was Sie über Richard Bartlett in Erfahrung bringen können. Richard Bartlett, ist das klar? Er ist freiwillig dort in Behandlung. Stellen Sie fest, wann er heute abend gekommen ist – falls er sich dort überhaupt hat sehen lassen.«
    Morse zwang sich, noch einmal einen Blick auf den Brei aus Hirn und Blut vor der matten Glut im Kamin zu werfen. »Und versuchen Sie herauszubekommen, ob einer von ihnen sich heute abend umgezogen hat. Was meinen Sie, Bell? Das Blut muß ja in alle Himmelsrichtungen gespritzt sein.«
    Bell zuckte die Schultern. »Die Frau hatte Blut an Händen und Ärmeln.«
    »Am besten fahre ich gleich zu ihr.«
    »Nicht mehr heute abend, alter Junge. Der Arzt hat alle Besuche verboten, sie hat einen schweren Schock.«
    »Warum ist sie hergekommen? Hat sie das gesagt?«
    »Sie hat gesagt, sie wollte etwas Wichtiges mit ihm besprechen.«
    »War die Tür offen?«
    »Nein, es war abgeschlossen, sagt sie.«
    »Und wie, zum Teufel, ist sie dann hineingekommen?«
    »Sie hatte einen Schlüssel.«
    Morse brauchte einen Augenblick, um das zu verdauen. »Schau einer an. Sehr großzügig mit ihren Gunstbezeugungen, wie?«
    »Bitte?« fragte Bell.
     
    In den frühen Morgenstunden des Samstags fand Morse, was er gesucht hatte. Nur er und Lewis waren noch da – und zwei Constables der Oxforder Polizei, die draußen Wache schoben.
    »Kommen Sie mal her, Lewis, und schauen Sie sich das an«, flüsterte er ungläubig. »Das« war der Taschenkalender aus Oglebys Hüfttasche. Bell hatte ihn bereits flüchtig durchgearbeitet, keine Eintragungen gefunden und ihn wieder aus der Hand gelegt. Es war ein blauer Universitätskalender mit einer kleinen Klappe am hinteren Einbanddeckel zum Aufbewahren von Fahrkarten und dergleichen. Morse warf einen Blick hinein und traute seinen Augen kaum. Es war eine in der Mitte durchgerissene Eintrittskarte, am oberen Rand das inzwischen vertraute IO 2, darunter »Parkett hinten«, am rechten Rand die senkrecht angeordnete Zahlenreihe 93 593.
    »Was sagen Sie dazu?«
    »Er war also tatsächlich da.«
    »Vier waren da. Vier von fünf.«
    Lewis blätterte den Kalender mit der gewohnten Akribie von vorn bis hinten durch. Ogleby hatte offenbar den Kalender nicht benutzt. Aber dann kam er zu dem Abschnitt Notizen, und seine Augen wurden groß wie Suppenteller. »Sehen Sie mal, Sir«, wisperte er, als könne der leiseste Laut das Gesehene wieder verschwinden lassen. Morse spürte den vertrauten Druck auf den Schläfen, den elektrischen Stromstoß, der durch seinen Kopf zu jagen schien. Sauber und akkurat war dort etwas aufgezeichnet:
     
     
    »Herrgott«, sagte er. »Es ist dieselbe Nummer wie auf der Kinokarte, die wir bei Quinn gefunden haben.«
     
    Als die beiden eine halbe Stunde später das Haus in der Walton Street verließen, mußte Morse an die Worte von Dr. Hans Gross, früher Professor für Kriminologie an der Universität Prag, denken. Er kannte sie auswendig. »Keine menschliche Handlung geschieht rein zufällig, ohne Zusammenhang mit anderen Vorfällen. Keine ist unerklärlich.« Es war ein Ausspruch, den Morse immer unterschrieben hatte. Aber als er jetzt auf die stille Straße hinaustrat, fragte er sich, ob er wirklich stimmte.
    Nur 50 oder 60 Meter weiter

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