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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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höchstpersönlich geschrieben hatte, der nicht nur echt aussah, sondern es auch war. Jeder Handschriftenexperte hätte praktisch auf den ersten Blick bestätigt, daß der Zettel von Quinns Hand stammte. Die Nachricht war Margaret Freeman, seiner Sekretärin, zugedacht. Aber er hatte nicht ihren Namen, sondern nur ihre Initialen, M. F., draufgeschrieben. Sie fanden in Quinns Anorak einen schwarzen Kugelschreiber mit Feinstrichmine und änderten die Initialen, was nicht weiter schwer war. Ein Schnörkel nach dem M, ein zusätzlicher Strich am unteren Ende des F – und schon war aus M. F. eine Mrs. Evans geworden. Die Nachricht war unbestimmt genug für die Täuschung. Sie müssen zufrieden gefeixt haben, als Sie den Zettel auf das Sideboard legten. Und dann gingen Sie wieder. Sie wollten allerdings nichts riskieren, also verließen Sie das Haus durch die Hintertür, stiegen durch die Lücke im Zaun und gingen zum Quality -Supermarkt. Sie kauften ein paar Lebensmittel, und noch während Sie an den Regalen entlanggingen, lief Ihr Denkapparat auf Hochtouren. Sie würden etwas kaufen, was den Eindruck aufkommen ließ, daß Quinn an diesem Abend einen Gast hatte. Ein geschickter Schachzug. Zwei Steaks und und und. Nur die Butter hätten Sie nicht kaufen dürfen, Roope, Sie hatten die falsche Marke erwischt, und er hatte noch genug im Kühlschrank. Es war, wie gesagt, schlau eingefädelt, Sie haben den Bogen nur ein bißchen überspannt.«
    »So wie Sie, Inspector.« Jetzt endlich geriet Roope in Bewegung, er nahm eine Zigarette heraus, zündete sie an und legte das Streichholz sorgsam in den Aschenbecher. »Erwarten Sie im Ernst von mir, daß ich Ihnen diesen blühenden Unsinn abkaufe?«
    Seine Stimme war ruhig, überredend, er schien mit sich selbst wieder im reinen zu sein. »Wenn Sie nichts Besseres zu bieten haben als solche idiotischen Pfadfindergeschichten, würde ich vorschlagen, daß Sie mich unverzüglich wieder auf freien Fuß setzen. Wenn Sie aber in dieser Tonart weitermachen wollen, muß ich meinen Anwalt verständigen. Vorhin, als Sie mich über meine Rechte belehrten – über die ich mir durchaus im klaren bin, Inspector! –, habe ich das abgelehnt. Meine Unschuld, habe ich mir gedacht, ist mir bestimmt eine bessere Hilfe als so ein Paragraphenreiter von Rechtsanwalt. Aber Sie gehen ein bißchen zu weit. Sie haben nicht die Spur eines Beweises für Ihre phantastischen Vorwürfe.«
    »Sie leugnen also die Beschuldigung?«
    »Ich höre immer Beschuldigung …«
    »Sie leugnen, daß die Abfolge der Ereignisse –«
    »Natürlich leugne ich das. Weshalb sollte sich jemand soviel Mühe machen –«
    »Quinns Mörder mußte versuchen, sich ein Alibi zu verschaffen. Und das ist ihm gelungen. Es ist ein sehr geschicktes Alibi. Alles in diesem Fall schien darauf hinzudeuten, daß Quinn am Abend des Freitags – zumindest am frühen Abend – noch am Leben war, und es war von entscheidender Bedeutung –«
    »Sie meinen, Quinn hätte am Freitag abend nicht mehr gelebt?«
    »Nein«, sagte Morse langsam. »Da war Quinn schon seit mehreren Stunden tot.«
    Es blieb lange still in dem kleinen Raum. Dann wiederholte Roope:
    »Seit mehreren Stunden, sagen Sie?«
    Morse nickte. »Wann genau Quinn ermordet wurde, weiß ich allerdings nicht. Ich hatte gehofft, das würden Sie mir sagen können.«
    Roope lachte laut auf. Dann schüttelte er den Kopf. »Und Sie glauben, ich hätte Quinn umgebracht?«
    »Deshalb sind Sie hier. Und deshalb bleiben Sie auch hier, bis Sie mir die Wahrheit gesagt haben.«
    Roopes Stimme kletterte plötzlich gereizt in die Höhe. »Aber – aber ich war an diesem Freitag in London, das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich bin um 16 Uhr 15 nach Oxford zurückgekommen, können Sie mir das nicht abnehmen?«
    »Nein, das kann ich nicht.«
    »Dann will ich Ihnen mal was sagen, Inspector. Wo ich an dem bewußten Abend von fünf bis acht war, kann ich nicht beweisen, jedenfalls nicht zu Ihrer Zufriedenheit. Und Sie würden mir ja doch nicht glauben. Aber wenn Sie entschlossen sind, mich noch eine Weile in diesem Loch festzuhalten, erheben Sie wenigstens eine Anklage, die Hand und Fuß hat. Ich bin also mit Quinns Wagen gefahren und habe für ihn eingekauft und weiß der Geier was noch. Lassen wir das mal so stehen, wenn’s Ihnen Spaß macht. Aber dann legen Sie mir wenigstens auch den Mord an Quinn zur Last. Um zwanzig nach vier, oder wann Sie wollen. Um fünf, um sechs, um sieben, ganz nach Wunsch. Aber

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