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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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tut er. Im Klartext: Was Bartlett sagt, ist für Quinn Gesetz. Das Zusammentreffen dieser beiden Umstände ist recht aufschlußreich, Roope. Es gibt Leute, die sind faul und leichtsinnig, und dann gibt es welche, die sind pedantisch und gewissenhaft. Nur wenige sind beides gleichzeitig. Würden Sie mir da zustimmen?«
    Roope sah aus dem Fenster auf den zementierten Hof hinaus. Er war aufmerksam und angespannt, erwiderte aber nichts.
    »Der Hausmeister hat Ihnen gesagt, daß er nach oben gehen würde, um seinen Tee zu trinken, und bald waren Sie, wie Sie glaubten, im Erdgeschoß allein. Es war erst halb fünf. Ich nehme an, daß Sie ursprünglich geplant hatten, zu warten, bis niemand mehr im Haus war, aber so eine günstige Gelegenheit wollten Sie sich denn doch nicht entgehen lassen. Noakes hatte Ihnen, ohne es zu merken, wertvolle Informationen geliefert – die Sie sich allerdings ohne weiteres auch selbst hätten beschaffen können. Der einzige Wagen, der noch auf dem hinteren Parkplatz stand, war der von Quinn. Und dann geschah in etwa folgendes: Sie gingen noch einmal in Quinns Zimmer. Sie griffen sich seinen Anorak und zogen ihn an. Natürlich hatten Sie die Handschuhe anbehalten. Den Plastikregenmantel, den sie angehabt hatten, falteten Sie zusammen. Dann sahen Sie sich noch einmal den Zettel an und beschlossen, ihn einzustecken. Quinn hätte ihn, wenn er zurückgekommen wäre, sicher nicht auf dem Schreibtisch liegenlassen, und von jetzt ab mußten Sie genauso denken und handeln, wie Quinn gedacht und gehandelt hätte. Sie gingen auf den hinteren Parkplatz. Quinns Autoschlüssel steckten, womit Sie gerechnet hatten, in der Tasche seines Anoraks. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Das Wetter war noch immer grauenhaft, allerdings für Ihre Zwecke ideal. Sie setzten sich in den Wagen und fuhren los. Noakes sah Sie von oben beim Teetrinken, aber er hielt Sie für Quinn, was man ihm nicht verdenken kann, er sah ja nur das Wagendach. Bis dahin hatten Sie das Glück auf Ihrer Seite, und Sie nützten das weidlich aus.
    Der erste Teil des großen Täuschungsmanövers war vorbei, und es war alles glattgegangen.«
    Roope rutschte unbehaglich auf dem harten Stuhl herum. In seinen Augen lag ein gefährliches Lauern, aber er sagte noch immer nichts.
    »Sie fuhren nach Kidlington und stellten den Wagen in der Pinewood Close ab. Wieder lagen für Sie Glück und Pech nah beieinander. Zuerst das Glück. Es goß noch immer in Strömen, und es war kaum damit zu rechnen, daß sich jemand den Mann, der aus Quinns Wagen stieg, um die Garage aufzuschließen, genau anschauen würde. Außerdem war es dunkel, und die Ecke Pinewood Close war noch dunkler als sonst, weil jemand – jemand, Roope! – dafür gesorgt hatte, daß die Straßenlaterne vor dem Haus zu Bruch gegangen war. Ich formuliere hier keine bestimmten Vorwürfe, aber ein privater Verdacht sei mir gestattet. Selbst wenn jemand Sie in Quinns grünem Anorak gesehen hätte, den Kopf eingezogen zum Schutz vor dem strömenden Regen, bezweifele ich, ob ihm etwas aufgefallen wäre. Sie waren von der Figur her Quinn sehr ähnlich und hatten einen Bart – wie er. Aber dann wendete sich das Blatt. Zufällig stand eine Frau am vorderen Fenster der Wohnung im ersten Stock, und das haben Sie bemerkt, mußten Sie bemerken. Sie wartete schon geraume Zeit und hatte Angst, ihr Kind könne vorzeitig zur Welt kommen. Sie hatte mehrmals ihren Mann in Cowley angerufen und rechnete jeden Augenblick mit seinem Eintreffen. Nun war das kein großes Unglück, denn sie wäre nie auf die Idee gekommen, der Mann im grünen Anorak könne nicht Quinn sein. Auch Sie müssen sich das überlegt und danach gehandelt haben. Immerhin – die Frau hatte Sie ins Haus gehen sehen, wo Sie feststellten, daß Mrs. Evans – Sie müssen sich genau über die häuslichen Gepflogenheiten informiert haben – ausgerechnet an diesem Tag mit dem Putzen nicht fertig geworden war. Schlimmer noch, Mrs. Evans hatte Quinn auf einem Zettel wissen lassen, sie würde noch einmal vorbeikommen. Das war nun wirklich Pech. Trotzdem sahen Sie auch hier Ihre Chance. Sie lasen den Zettel, knüllten ihn zusammen und warfen ihn in den Papierkorb. Sie zündeten den Gasofen an, wobei Sie das dafür verwendete Streichholz sorgsam wieder in der Schachtel verstauten. Das hätten Sie nicht tun sollen, Roope, aber jeder macht eben mal einen Fehler. Und dann – Ihre Meisterleistung. Sie hatten einen Zettel in der Tasche, den Quinn

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