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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Cravelli hob vorsichtig die Spritze von der Watte. Er zeigte sie Berwaldt und tippte mit dem Zeigefinger der linken Hand gegen den Glaskolben.
    »Wissen Sie, was das ist?«
    »Nein.«
    »Curare –«
    »Was … was soll das …«, sagte Berwaldt tonlos.
    »Es sind drei ccm. Reines Curare. Bereits ein Milligramm führt zu tödlichen Lähmungen des gesamten Organismus. Ich erzähle Ihnen da keine Neuigkeiten, Sie wissen das besser als ich. Es ist Ihre letzte Chance, Dottore.«
    »Wozu?«
    »Mir die Formel zu sagen. Ich bin mir nämlich durchaus nicht sicher, daß der Brief den Sie sich aus Berlin schicken lassen, auch die vollständige Formel enthält. In Ihrem Gepäck – ich erlaubte mir, es durchzusehen – sind auch keinerlei Anhaltspunkte.«
    »Ich werde Ihnen die Formeln nie sagen!« schrie Dr. Berwaldt. Es war ein letztes Aufbäumen gegen sein Schicksal. Er wollte nicht kampflos untergehen.
    Sergio Cravelli wiegte den Kopf hin und her. Seine Augen waren fast traurig.
    »Es tut mir aufrichtig leid, Ihnen diese 3 ccm Curare injizieren zu müssen. Aber bleibt mir etwas anderes übrig? Mit der Formel wären wir unlösbare Kompagnons … so aber sind Sie eine Belastung, Dottore! Sie werden sich doch eingestehen, daß es für mich unmöglich ist, Sie jetzt noch freizulassen! Es gibt also keinen anderen Weg als Alternative! Gut, – Sie haben eine gewählt! Ich muß Ihnen das Curare geben –«
    Dr. Berwaldt nickte. Plötzlich war es kalt und leer in ihm. Die Todesangst fiel von ihm ab.
    »Ich möchte fast sagen: Bitte, tun Sie es schnell! Ich habe ein Präparat entdeckt, das nicht entdeckt werden durfte. Ich sehe es jetzt ein. Obwohl es Tausenden helfen wird, kann es Millionen töten. Das ist kein Risikoverhältnis, das ist produzierter Mord! Es ist fast eine Erlösung, wenn Sie mich töten …«
    Cravelli erhob sich langsam. Er legte die Spritze in die linke Hand und kam um den Schreibtisch herum auf Berwaldt zu.
    »Sie sind wirklich ein Narr!« sagte er hart. »Ein Idealist wie Sie darf gar nicht leben!« Er blieb vor Berwaldt stehen und sah ihn ernst an. »Sie werden sich nicht wehren?«
    »Nein! Wozu? Nützte es etwas?«
    »Wie schade um solch einen Logiker!« Cravelli beugte sich zu Berwaldt und schob dessen Rockärmel hoch. Er öffnete die Manschette des Hemdes, krempelte sie hoch und legte die Finger auf die Vene.
    »Intravenös?« fragte Berwaldt. »Wozu das?«
    »Es geht schneller …« Cravelli zögerte einen Moment, dann stieß er fachmännisch die Hohlnadel in die Vene und drückte die farblose Flüssigkeit in die Blutbahn.
    Bereits als er die Spritze mit schnellem Ruck wieder herauszog, atmete Dr. Peter Berwaldt nur noch schwach und leise röchelnd …
    Sergio Cravelli kam über eine enge, gewundene Treppe aus dem Keller und schloß hinter sich eine alte, mit eisernen Beschlägen gesicherte Eichentür ab, als es draußen an der Haustür laut klopfte. Cravelli blieb stehen und steckte hastig den Schlüsselbund in die Hosentasche. Der Palazzo Barbarino hatte, obwohl modern eingerichtet, keine Hausklingel. Wie zur Zeit seiner Entstehung und seines Glanzes zierte die dicke Haustür ein großer bronzener Löwenkopf, in dessen Maul der Klopfring hing. Wenn man mit ihm gegen das Holz schlug, geisterte der Ton hohl und geheimnisvoll durch die weite Eingangshalle und rief den Butler herbei.
    Cravelli sah auf seine Armbanduhr. Die Diener hatten Ausgang und kamen vor Morgengrauen nicht aus den Tavernen zurück. Außerdem war es zu spät für einen Besuch.
    Cravelli zögerte und wartete in der dunklen Halle an der kleinen, eben verschlossenen Tür unter der Treppe. Wer kann es sein, dachte er. Wer klopft an ein dunkles Haus, dem man von außen ansehen muß, daß alles in ihm schläft?!
    Der hohle Klang des Klopfers ließ ihn zusammenschrecken. Herrisch, laut hieb jemand draußen an die Tür. Aber dieses Mal setzte er nicht nach vier Schlägen aus, sondern mit Ausdauer krachte der bronzene Klopfring in dem Löwenmaul gegen die Eichenbohlen.
    Langsam ging Cravelli auf die Tür zu. Als das Klopfen einen Augenblick aufhörte, rief er laut: »Wer ist denn da draußen?«
    Statt einer Antwort klopfte es weiter. Mit einem Fluch schob Cravelli den schweren Riegel zurück und öffnete die Tür einen Spalt, um hinauszusehen.
    Unten, an der großen Marmortreppe, schaukelte eine alte Gondel. Das war das erste, was er sah. Dann schob sich ein Fuß von der Seite in den Türspalt und versuchte, sie aufzudrücken.
    In Sergio

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