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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Weg gewesen, getragen von der unheimlichen Logik eines Erfolgsmenschen.
    Sein Vater war ein Beamter gewesen. Ein vornehmer, rechtschaffener, gläubiger Mann. Verwaltungssekretär im venezianischen Arsenal. Er ließ sich immer mit ›Herr Sekretär‹ anreden und hatte eine große Weisheit, die er auch dem kleinen Sergio fast täglich mitteilte: »Merke es dir, Bambino … wer dem Staat dient, führt ein gottgefälliges Leben.« Und so stand es eigentlich fest, daß auch Sergio Beamter werden würde.
    Aber er wurde es nicht. Während sein Vater sich weiterbildete und einen verbissenen Fleiß an den Tag legte, lief Sergio aus der Schule fort und wurde Bote bei einem Architekten. Der alte Cravelli schrumpfte vor Kummer zusammen, aber sein Sohn wurde stark und groß und ließ sich nichts mehr sagen. Vom Boten avancierte er zum Zeichner. Der Architekt bildete ihn selbst aus und stellte ihn zum Auszeichnen der Pläne an den Zeichentisch.
    Mit achtzehn Jahren bekam Sergio Cravelli einen Begriff, was es heißt, Wissen zu besitzen. Mehr Wissen als andere. Er machte eine Aufnahmeprüfung und wurde Schüler der Hohen Schule für Baukunst in Venedig. Das versöhnte ihn wieder mit seinem Vater, der ihn überall mit ›Der Herr Student Cravelli‹ vorstellte. Mit zwanzig Jahren verließ er die Schule wieder. Er hatte entdeckt, daß viele Leute ihr Land verkaufen wollten, aber nicht wußten, wie man das anfängt. So wurde Sergio Cravelli Grundstücksmakler. Ganz klein begann er, mit einem Zimmer am Fischmarkt. Der Gestank von Makrelen und getrocknetem Fisch lag wie eine Wolke unter der Decke, aber die Kunden kamen … zuerst arme Bauern, die er begaunerte, dann Grundbesitzer, denen er die Ländereien abschwatzte und die er dann als gutes Weideland weiterverkaufte, obwohl sie vor Wasserarmut jeden Sommer ausdörrten. Allerdings verkaufte er diese Grundstücke im Herbst, wo sie nach den Regentagen in vollem Saft standen. Und nie kamen Anzeigen, was Cravelli am meisten wunderte. Im Gegenteil, es sprach sich bald herum, daß man bei Sergio Cravelli gut kaufen und noch besser verkaufen konnte.
    Von jeher sich über die Dummheit seiner Umwelt wundernd, ging Cravelli nach diesen Maklererfolgen zu größeren Geschäften über. Er kaufte alte Villen auf den Lagunen, renovierte sie, indem er sie nach außen hin aufpolierte und verkaufte sie wieder an Ausländer mit mindestens 300 % Gewinn. Das gleiche machte er mit Ladengeschäften.
    Nach zehn Jahren intensiver Arbeit kaufte sich Sergio Cravelli den Palazzo Barbarino am Canale Santa Anna. Er war ein großer Mann geworden. Sein Vater starb in dem Bewußtsein, einen wundervollen Sohn zu haben. Das Maklergeschäft blühte weiter. Cravelli gründete Filialen in allen großen Städten Italiens. Aber diese Büros waren nur Firmenschilder, weiter nichts. Cravelli war plötzlich, ohne daß man es nach außen hin merkte, der Sprung in das große Geschäft geglückt. So, wie ein Fuchs die heiße Füchsin riecht, tauchte Cravelli eines Tages in den Kreisen auf, wo Millionen zur Selbstverständlichkeit gehören.
    Die ganz großen Händler handeln nicht mit Häusern … sie handeln mit Seelen. Mit Toten. Mit dem Leid der Welt. Mit dem Schrecken der Menschheit. Mit der Vernichtung.
    Cravelli stieg in den Waffen- und Chemikalienhandel ein. Ob in Nordafrika oder Korea, in Indochina oder Südamerika, im Dschungel oder in der Wüste … überall war die Abkürzung S. C. ein Zauberwort, das Waffen, Munition und Revolution versprach. Geheimdienste, Militärs und Staatsmänner kannten ihn; man empfahl ihn wie eine besonders attraktive Dirne. Man reichte ihn herum. Von unbekannten riesigen Waffenlagern aus, meistens versteckt auf kleinen Felsinseln vor der dalmatinischen, griechischen oder vorderasiatischen Küste, gegen Cravellis Schmugglerboote oder seine falsch gemeldeten Dampfer zu den Plätzen, wo Blut und Tränen, Mord und Elend das Land verwüsteten … mit der Gütemarke S. C. Nebenbei festigte sich sein Ruf, der beste Makler Norditaliens zu sein, denn nun konnte er es sich leisten, Grundstücke billig abzugeben und sich dadurch Freunde zu verschaffen.
    Bis zu jenem Tag vor zehn Jahren!
    Es war ein zauberhafter Abend voll Musik und schwüler Sommerhitze. Sie drückte aufs Herz und gab den Gedanken erschreckende wollüstige Träume.
    In dieser Stimmung sah Cravelli von seinem Balkon, wie eine Gondel bei ihm anlegte. Eine junge Frau stieg aus. Als sei es eben erst gewesen, hörte Cravelli heute noch den

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