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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein besonders wichtiger Augenblick in unserem Leben –«
    »Was wollen Sie?« fragte Dr. Berwaldt. Er rührte das Glas nicht an, das ihm Cravelli hinschob.
    »Eine solche Frage sollte ein so intelligenter Mann wie Sie nicht stellen.« Cravelli lächelte und nahm einen tiefen Schluck. Mit dem Handrücken putzte er sich die Lippen ab. »Es ist das alte Lied zwischen uns – ich brauche Ihre Formeln!«
    »Sie benehmen sich kindisch, Cravelli.« Dr. Berwaldt faltete die Hände und stützte den Kopf darauf. »Hätten Sie mir Curare injiziert, wäre das irgendwie logisch gewesen. Sie haben ja auch bei Patrickson und Dacore keine Hemmungen gehabt. Aber mich mit Evipan zu betäuben, hier unten einzusperren und alte Walzen aus Wallace-Romanen abzuspielen mit Geheimkellern und künstlicher Belüftung … das ist doch lächerlich! Was bezwecken Sie eigentlich damit? Glauben Sie, daß Sie in einem Keller mehr bei mir erreichen als oben in Ihrer herrlichen Bibliothek?! Ich glaube, Sie haben mit einer gewissen Feigheit bei mir gerechnet …«
    »Ja –« sagte Cravelli ehrlich.
    »Sie haben gedacht, Kellergewölbe und die Angst, getötet zu werden, brechen meinen Willen? Lieber Cravelli, Sie haben eine verdammt schlechte Meinung von mir. Ich bin zwar kein Held, das war ich nie, aber ich habe so etwas wie Charakter!«
    Cravelli verzog sein Gesicht zu einem Grinsen. Es war eine Maske, hinter der sich Hilflosigkeit verbarg.
    »Ich könnte Sie verhungern lassen, Dottore –«
    »Von einer bestimmten Phase des Hungerns ab wird der Mensch apathisch. Versuchen Sie es …«
    »Ich könnte Sie als zweites verdursten lassen. Sie wissen, daß man von Durst wahnsinnig werden kann. Sie werden die Wände ankratzen und die Feuchtigkeit aus den Mauerritzen saugen …«
    »Machen wir eine Probe –« sagte Dr. Berwaldt heiser.
    »Als drittes könnte ich Sie hier unten lebendig verfaulen lassen. An die vierte Möglichkeit wage ich gar nicht zu denken.«
    »Sie sollten begreifen lernen, daß der Tod für mich keine Schrecken hat. Nicht mehr –«
    »Was heißt: nicht mehr?«
    »Ich habe erkannt, daß ich mit meiner Entdeckung die Grenzen, die einem Menschen gesetzt sind, überschritten habe. Es wäre der Menschheit mit meinem Tod mehr gedient, als mit dem Bestand meines kleinen Lebens, das Millionen töten kann, weil dieses Gehirn …« Dr. Berwaldt klopfte gegen seine Stirn … »dieses schrecklich kluge Gehirn etwas erfunden hat, was einfach nicht entdeckt werden durfte!«
    »Seien Sie doch nicht so dickköpfig, Dottore. Ich biete Ihnen 25 Millionen für die Formeln.« Cravelli trommelte mit den Fingern auf die Lehne des Sessels. »Es führt doch zu nichts.«
    »Genau das ist mein Ziel. Nichts!«
    »Aber warum denn, mein Bester? Ich nehme Ihnen die moralische Größe einfach nicht ab. Bei 25 Millionen Dollar hört die Moral auf! Sie ziehen irgendwohin, wo die Welt herrlich ist … auf die Bahamas, nach Palma, nach Florida, nach Tahiti … die Welt ist so groß, wenn man 25 Millionen im Rücken hat … Was kümmert Sie dann noch, was man mit Ihren Formeln macht?«
    »Es gibt etwas anderes, das mit keinen Millionen aufgewogen werden kann. Das Bewußtsein, daß meine Entdeckung den Tod für Millionen Menschen bedeutet. Nein! Ich will den Frieden, Cravelli. Ich kämpfe jetzt mit aller Leidenschaft für diesen Frieden, gerade jetzt, wo ich weiß, daß mein Gehirn diesen Frieden für immer vernichten kann! Mein eigenes Leben ist mir nichts mehr wert! Und es ist tröstend, daß mit mir auch meine Entdeckung stirbt!«
    »Das ist auch das einzige, was Sie noch weiterleben läßt!« schrie Cravelli.
    »Ich weiß. Haben Sie eigentlich kein Gewissen, Cravelli?«
    »Mein Gewissen ist der Kursstand der internationalen Börse. Der Kurs steht auf Sturm! Es stinkt an allen Ecken der Welt so gewaltig, daß man nur zuzugreifen braucht, um goldene Finger zu haben … in meinem Metier! Und nun kommt Ihr Präparat, Dottore! Wissen Sie überhaupt, was das bedeutet? Mit ihm schaffe ich eine bisher unbekannte, rabiate Hausse auf allen geheimen Weltmärkten. Es geht um Milliardenbeträge, Dottore Berwaldt!«
    »Ja, um Milliarden Menschen! Um Milliarden grausam Sterbender! Denken Sie an die Atombombe. Als die erste 1945 über Hiroshima und die zweite über Nagasaki fiel, hielt die Welt voll Entsetzen den Atem an und beendete ein Völkermorden. Aber die dreißigtausend Toten von Hiroshima und die hunderttausend Verkrüppelten, Verstümmelten und auf Generationen organisch

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