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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seefahrer-Beschreibungen und Seekarten, nahm er einige Bücher heraus. In der getäfelten Rückwand blinkte schwach ein Schlüsselloch auf. Cravelli nahm aus der Weste einen kleinen Schlüssel, mit einem leisen Quietschen drehte sich dieser im Schloß. Cravelli preßte die Schulter gegen das Regal. Mit einem dumpfen Knarren bewegte sich ein Teil der Wand und schwang nach innen weg in einen Hohlraum, eine Art Diele. Nacktes, dickes Mauerwerk lag hinter den Bücherstapeln. Cravelli drehte an einem Lichtschalter. Eine trübe brennende Birne flammte auf.
    Hinter dem Regal, von der kleinen Diele ab, führte eine gemauerte Treppe, steil und eng, in einen abseits gelegenen, von den anderen Kellerräumen abgetrennten Keller. Es war ein ganzer Komplex, der auf keinem Plan des Hauses verzeichnet war und dessen Existenz bei dem Gewirr von Räumen und Gängen und Treppen überhaupt nicht geahnt wurde. Diese Kellerflucht teilte sich in drei Räume … ein leidlich bewohnbares Zimmer mit großen, in die Wand eingebauten Schränken, einem Bett, einer Clubgarnitur, einem Tisch, einem Teppich und gemütlichen Stehlampen. Nebenan lag ein vollständig eingerichtetes Laboratorium. Diesem schloß sich ein dunkler Raum an, den nur Cravelli kannte. Die Tür war immer abgeschlossen, und es gab nur einen Schlüssel, den Cravelli in der Tasche trug.
    Cravelli betrat das wohnliche Zimmer und sah sich um. Es war leer. Die Tür zum Labor war angelehnt. Schweratmend ließ sich Cravelli in einen der Sessel fallen und legte auf die Rauchtischplatte einen geladenen Revolver. Dann sprang er wieder auf, holte aus einem der eingebauten Schränke ein dickes Aktenbündel und kehrte zu seinem Sessel zurück.
    Mit dem Knauf des Revolvers klopfte er auf die Tischplatte.
    »Hallo!« rief er. »Besuch, Dottore!«
    Niemand antwortete. Aus dem Labor kam kein Laut. Erstaunt schüttelte Cravelli den Kopf.
    »Sie können ruhig nähertreten, Signore«, rief Cravelli. »Sie werden weder gebraten noch gefressen –«
    Aus dem Labor trat langsam Dr. Berwaldt. Sein Sommeranzug war schmutzig und zerknittert. Das schmale, blasse Gelehrtengesicht war fahl, von einem grauen Bart umgeben, und zeigte noch die Qualen der überstandenen Tage. Er blieb an der Tür zum Zimmer stehen und sah Cravelli mit einer Art Verachtung an, die den Italiener unruhig werden ließ. Als sein Blick auf den auf dem Tisch liegenden geladenen Revolver fiel, lächelte er sogar.
    »Sie haben Angst vor einem lebenden Leichnam?« fragte er.
    Cravelli winkte auf einen der Sessel. »Bitte, setzen Sie sich Dottore.«
    »So höflich?«
    »Haben Sie mich jemals anders kennengelernt?« Cravelli lächelte jovial. »Wie geht es Ihnen?«
    Dr. Berwaldt setzte sich. »Schlecht. Es wäre besser gewesen, wenn Sie mir wirklich Curare injiziert hätten.«
    »Bin ich ein Idiot, Dottore?« Cravelli legte die Hände gemütlich über den Bauch. »Dann wären Sie heute steif wie ein Brett, und Ihre wertvollen Gehirnzellen wären zerfallen. Das würde mir gar nicht nützen, mein Lieber. Das heißt, wenn man sich die Entwicklung der Dinge logisch betrachtet, wäre es jetzt besser, Sie lägen irgendwo auf dem Grund irgendeines dunklen Kanals.«
    »Sie hatten mir Evipan gespritzt?«
    »Ja. Eine Dummheit, ich gestehe es. Ich hatte damals einen anderen Plan, als es heute nötig geworden ist. Es war eine kleine Beruhigungs- und Schlafspritze … Sie waren zu aufgeregt, Dottore. Und ich nehme an, daß Sie niemals freiwillig in die Cravellische Unterwelt gestiegen wären –«
    »Nie!«
    »Sehen Sie. Heute bedauere ich vieles –«
    »Was soll das heißen?« fragte Dr. Berwaldt. Er spürte, wie sein Atem aussetzte. Cravelli, der ihm gegenübersaß, war wie verwandelt. Er wirkte unsicher.
    Cravelli beugte sich vor und legte die Hand auf den Revolver. Er sah Dr. Berwaldt ernst an … und in diesem Blick erkannte Berwaldt, daß eine unausweichliche Entscheidung auf ihn zukam. Die Stunde, auf die er gewartet hatte, war gekommen. Und er wußte in diesem Augenblick auch, daß es die letzten Minuten waren, die ihm blieben.
    »Die Lage, in der wir uns befinden, ist äußerst kritisch geworden«, sagte Cravelli mit einer verblüffenden Ehrlichkeit. »Wie ernst sie ist, beweist Ihnen, daß ich es Ihnen sage. Oben, an der Sonne, ist der Teufel los.« Cravelli zögerte, dann nahm er seinen Revolver, ging zu einem der Schränke und holte Kekse, Fruchtgebäck und eine Flasche Rotwein heraus. »Machen wir es uns gemütlich, Dottore … Es ist

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