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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie auch das einzige Briefkuvert aus Venedig.
    Sergio Cravelli, Palazzo Barbarino, Venezia, las sie. Ein unbekannter Name. Sie hatte ihn nie gehört oder gelesen. Dr. Berwaldt hatte nie von einem Cravelli gesprochen. War das eine Spur –?
    Sie steckte das Kuvert ein, legte die anderen Papiere wieder in den Papierkorb zurück, stellte ihn zu Boden und sprang auf.
    Ungesehen verließ sie wieder das Appartement und fuhr sofort hinunter in die Halle. Dort hing neben der Rezeption eine große Karte von Venedig. Im alphabetischen Straßenverzeichnis, das auch die alten Paläste nannte, suchte sie den Palazzo Barbarino.
    Ihr Finger glitt die Rubriken entlang. Da war es: Palazzo Barbarino. Canale Santa Anna …
    Ihr Finger zitterte plötzlich. Der Zeitungsaufruf! Dr. Berwaldt wurde zuletzt gesehen, wie er in den Canale Santa Anna einbog … Vor zehn Jahren verschwand im Canale Santa Anna die Tänzerin Ilona Szöke …
    Ilse Wagner fühlte wieder die Schwäche in ihre Knie fahren. Sie mußte sich an die Wand lehnen, um nicht umzusinken.
    Sergio Cravelli. Wer war dieser Cravelli?
    Zur gleichen Zeit betraten drei Kriminalbeamte der venezianischen Polizei das Grand-Hotel ›Excelsior‹ und ließen sich von Geschäftsführer Pietro Barnese in den ersten Stock zum Appartement Dr. Berwaldts führen.
    Sie begannen, die Zimmer systematisch zu durchsuchen … drei Minuten zu spät.
    *
    Venedig, die Königin der Meere, umgab Ilse Wagner mit dem beispiellosen Zauber ihrer einmaligen Schönheit, als sie das Hotel verlassen hatte und nun am hölzernen Geländer der Gondellageplätze lehnte und über den Kanal blickte.
    Am Rande der Kanäle entlang ging sie bis zur Rialtobrücke. Es beruhigte sie, daß zwei Polizisten an der Brücke standen und über das Gewirr der Händler und Reisenden blickten.
    Canale Santa Anna, Planquadrat C 9, dachte sie. Wo ist dieses Quadrat C 9? Sie ging zu den Polizisten und nickte ihnen zu.
    »Prego …« stotterte sie. »Sprechen Sie deutsch … Ich möchte gerne wissen, wo …«
    Die Polizisten hoben die Schultern. »Signorina, nix verstehen …«
    »Wo ist der Canale Santa Anna …«
    »Ah! Canale Santa Anna!« Die Polizisten nickten. »Uno momento, Signorina …«
    Einer der freundlichen Polizisten winkte eine Gondel heran. Es war genau das, was Ilse Wagner nicht gewollt hatte. Aber um sich nicht zu blamieren, lächelte sie tapfer und ließ sich in das Boot helfen. Nachdem sich Ilse auf die schmale Polsterbank unter das Sonnendach gesetzt hatte, sprach der Polizist mit dem Gondoliere.
    »Si si!« rief dieser und nickte Ilse zu. »Ich verstehen –«, sagte er. »Große Sensation –«
    Er ging nach hinten und ergriff die lange Stange. Mit ihr stieß er das Boot aus dem seichten Wasser weg. Schlamm wirbelte an die Oberfläche, es roch faulig. Dann glitt die Gondel hinaus in die Mitte des Kanals.
    »Canale Santa Anna –«
    »Si –« Ilse Wagner nickte schwach. Doch dann überkam sie wieder eine wahnsinnige Angst. Sie winkte mit beiden Armen und rief: »No … nicht Santa Anna … Durch Venedig … die großen Kanäle … verstehen Sie …«
    »Si Signorina!« Der Gondoliere lächelte mit blendenden Zähnen. »Visite von Venezia …«
    Sie fuhren fast eine Stunde, als Ilse Wagner an einer Ecke ein kleines Café mit einem deutschen Namen entdeckte. Café Waldtbauer. »Dorthin!« rief Ilse Wagner. »Legen Sie dort an …«
    Der Gondoliere verstand sie nicht. Ilse Wagner winkte zu dem Café hin, zeigte mit ausgestreckten Armen auf die Hausecke und machte die Bewegung des Kaffeetrinkens. Jetzt begriff er. Mit einem fröhlichen Kopfnicken ruderte er die Gondel an die Uferbefestigung und legte an. Mit grellem Geschrei stürzten einige Straßenjungen herbei und fingen das Haltetau auf, das sie um einen eisernen Pflock in der Kaimauer schlangen. Dann halfen sie Ilse hinaufklettern und hielten ungeniert die schmutzigen Hände auf. Sie gab jedem ein paar Lire.
    Durch die Marktstände mit den schreienden Gemüse- und Fischfrauen, vorbei an den Zinkwannen voller Tintenfische und Kraken, bahnte sie sich einen Weg zu dem Café. Es bestand aus einem großen, kühlen Raum, in dem eine Anzahl leerer, runder Tische mit Korbstühlen standen. Im Hintergrund erhob sich chromblitzend, mit hohen Glasaufsätzen, die lange Theke mit der glitzernden Kaffeemaschine. Ein dicker Mann lehnte dagegen und gähnte. Er trug eine weiße Halbschürze und ein Serviertuch unter die Achsel geklemmt. Er sah Ilse mit einem kritischen Blick an und

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