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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Endlich sagte er in Deutsch:
    »Nix! Signore Cravelli nix da …« Dann drohte er noch einmal zu den Bettlern, schrie: »Diaboli!« und warf vor Ilse die schwere Tür zu. Fast wäre sie ihr gegen den Kopf geschlagen, weil sie beim Öffnen einen Schritt vorgetreten war.
    Was hatte Dr. Berwaldt hier zu tun, dachte sie und sah an der alten, einstmals prunkvollen Fassade empor. Aus diesem Haus hatte er einen Brief bekommen, das war sicher. Und ebenso sicher war es, daß dieser Cravelli mit Berwaldt gesprochen hatte, denn es war eine Eigenschaft Berwaldts, erst dann seine Post zu vernichten, wenn er den ›Vorgang‹, wie er es nannte, hinter sich gebracht hatte.
    Langsam ging Ilse zur Gondel zurück. Die Bettler halfen ihr beim Einsteigen, sie gab jedem ein paar Lire und nickte dem Gondoliere zu, machte eine Handbewegung, die soviel bedeuten sollte: Irgendwohin … durch Venedig …
    Ilse Wagner lehnte sich auf ihre Polsterbank zurück. Sie nahm sich vor, wiederzukommen und mit Cravelli zu sprechen. Plötzlich dachte sie an Rudolf Cramer, der ihr plötzliches Weggehen falsch deuten könnte. Sie hatte keine Nachricht hinterlassen … sie war, wie damals Ilona Szöke, einfach weggefahren … in den Canale Santa Anna … Das konnte neue Aufregungen geben, neue Verwicklungen, die – statt den Knoten zu lösen – ihn nur noch fester zuzogen …
    »Grand-Hotel ›Excelsior‹!« rief sie dem Gondoliere zu.
    »Si, Signorina, ›Excelsior‹ …«
    Die Gondel glitt wieder in einen Seitenkanal und nahm Richtung auf den Canale Grande.
    Um die gleiche Zeit, als Ilse Wagner ins Hotel zurückfuhr, raste mit heulendem Motor das Boot Cramers in den Canale Santa Anna.
    Mit einem Ruck hielt es vor der Treppe und glitt in einer Gischtwelle auf die Stufen zu. Mit einem weiten Satz sprang Cramer auf die Marmortreppe. Aber so wild und andauernd er gegen die Tür klopfte, diesmal erschienen die Diener nicht. Von einem Fenster neben dem Eingang beobachteten sie hinter der Gardine den wilden Mann an der Tür. Sie hatten Weisung, keinen einzulassen.
    Einer der Bettler zog Cramer an der Schulter von dem Klopfer weg.
    »Cravelli nix da …«, sagte er. »Fort mit weißer Jacht. Wohin, ich nix weiß …«
    »Danke«, sagte Cramer aufatmend. Ein furchtbarer Druck fiel von seinem Herzen. Cravelli war nicht da … dann konnte auch Ilse nicht bei ihm sein. »Danke, Kamerad.«
    Er rannte zurück zum Motorboot, sprang hinein und ließ sich zurück zum Hotel fahren. Da er den geraden Weg nahm, war er vor Ilse Wagner wieder im ›Excelsior‹. Daß sie noch nicht zurückgekommen war, erfüllte ihn mit Unsicherheit und jagender Unruhe. Er machte sich Selbstvorwürfe, daß er im Eifer seiner Zeitungsaktion Ilse Wagner ganz vergessen hatte und sie ohne Aufsicht und ohne Warnung im Hotel geblieben war. Wenn Cravelli auch mit dem Verschwinden Dr. Berwaldts zusammenhing, war es klar, daß auch Ilse Wagner sich in großer Gefahr befand.
    Blaß vor Erregung, Whisky trinkend, saß er in der Halle und war zur Untätigkeit verurteilt. Er zuckte hoch, als der Page, der Ilse Wagner hatte wegfahren sehen, zu ihm stürzte und mit beiden Händen durch die Luft fuchtelte.
    »Die Signorina kommt!« rief er. »Die Signorina …«
    Cramer schnellte durch die Halle, wirbelte durch die Drehtür und lief Ilse entgegen, die gerade aus der Gondel gehoben wurde. Er riß sie aus den Armen des Gondolieres und drückte sie an sich.
    »Ilse!« schrie er. »Ilse! Mein Gott, hatte ich eine Angst.« Und dann küßte er sie, vor allen Gondelführern und Hotelgästen. Es kam so plötzlich, so überraschend und doch so ersehnt, daß Ilse Wagner wie leblos in seinen Armen hing.
    Cramer sah sich um. Die lächelnden Gesichter um ihn herum störten ihn nicht. »Komm«, sagte er und zog Ilse ins Hotel zurück. »Nun wissen es alle!«
    Pietro Barnese kam ihnen freudestrahlend entgegen. Er streckte beide Hände aus. »Gratuliere!« rief er. »Das macht der Zauber von Venezia –«
    »Sie können uns gratulieren, wenn wir Dr. Berwaldt gefunden haben –« Cramer legte den Arm um Ilse.
    »Was ist mit Dr. Berwaldt?« fragte Ilse.
    »Nichts! Man hat keinerlei Spuren …«
    »Ich war im Canale Santa Anna … bei Signore Cravelli –«
    »Du hast ihn gesprochen?«
    »Nein. Man ließ mich nicht herein. Er sei nicht da …«
    »Gott sei Dank –«
    Ilse sah Cramer erstaunt an. »Du kennst diesen Cravelli …?«
    »Ja, sehr gut sogar.« Cramer sah auf seine Hände. »Ich werde dir viel von mir erzählen

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