Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
wann nur? Ich werde nach Alabama zurückkehren, komme, was wolle – ich suche mir dort einen Job und bleibe im Sommerhaus an der Bucht. Es ist mir egal, was Mutter und Dad sagen, es ist mir egal, wenn ich mich allem widersetze, wozu ich erzogen bin. Meine beste Freundin Birdie wird für mich da sein.
Wenn es wahr ist, was Großmutter mir gesagt hat – wenn es wahr ist, dass ich mein Leben durch meine Worte formen kann, dann werde ich dies für den Rest meines Lebens schreiben: ER wird mich lieben. ER wird mich immer lieben.
Immer.
S ECHS
S chließlich wählte ich doch seine Nummer, Hutchs Nummer, um ihm mitzuteilen, dass ich etwas mehr über die Sommermonate in den Jahren 1960 und ’61 herausgefunden hatte. Seine Mailbox ging an.
»Hey, du«, sagte ich hastig. »Ellie hier. Es ist was Komisches passiert. Ich habe Mutters Tagebuch gefunden, und darin steht einiges über die beiden Sommer. Nicht viel, aber vielleicht hilft es dir …«
Ich fand nicht die richtigen Worte, um mich zu verabschieden – das kann ich nie –, also legte ich einfach auf.
Ich stand mitten in meinem Dachbodenatelier; immer, wenn ich nachdenken muss oder einfach mal fliehen will, male ich. Das Licht war an diesem Tag ganz weich, die Wolken waren dünn und schützten vor der Sonne, ohne sie zu verdecken.
Mein Atelier auf dem Dachboden war ein großer, offener Raum. Im Rest des Hauses teilten Wände die Räume, aber der Dachboden erstreckte sich über die ganze Länge und Breite des Hauses. Mein Handy klingelte, ich sah aufs Display – Sadie. Ich ging dran, sie redete, bevor ich den Mund aufmachen konnte. »Hey, ich stehe vor der Haustür, hörst du mich nicht?«
»Ich bin im Atelier, komm rein. Die Tür ist offen.«
Ihre schnellen, leichten Schritte tappten die Stufen zum Dachboden hinauf, dann war sie da, Schuhe in der Hand, loser Pferdeschwanz.
Sadie und ich sind beste Freundinnen in der zweiten Generation. Unsere Mütter – Birdie und Lilly – waren seit der ersten Klasse befreundet, und Sadie und ich waren in dem Glauben aufgewachsen, dass uns nicht nur eine Freundschaft verband, sondern dass wir verwandt seien. Jetzt ist sie Teil unserer Welt hier in Buckhead, aber steht irgendwie auch außerhalb. Ihr gutes Herz, ihre sanfte Stimme und offene Art halten mich davon ab, ganz in ein konventionelles Leben zu fallen wie Alice ins Kaninchenloch. Sie ist auf eine umwerfende und schlichte Weise schön. Wenn es etwas gibt, das über »beste Freundinnen« hinausgeht, dann sind das Sadie und ich.
Ich umarmte sie. In der Hand hatte sie eine weiße Schachtel mit einer Schleife darum. Sie streckte den Arm aus.
»Für mich?«, fragte ich.
»Essen.«
Ich öffnete die Schachtel und strahlte Sadie an. »Was würde ich ohne dich tun? Bitte zwing mich nie, das herauszufinden.« Sie hatte mir meine Lieblingskekse mitgebracht – Madeleines aus Henris Bäckerei. Ich steckte mir eines der süßen Kunstwerke in den Mund und ließ den Zucker auf der Zunge schmelzen. »Die Speise der Götter.«
Sadie wollte mich umarmen, stieß dabei aber versehentlich gegen die Schachtel. Die Kekse rollten über den nackten, mit Farbe bekleckerten Boden, und wir lachten, wie beste Freundinnen es tun. Auf Knien sammelten wir das Süßzeug auf und legten es in die Schachtel zurück. Ich saß im Schneidersitz und seufzte tief.
»Also los«, sagte Sadie. »Raus damit, was immer es ist.«
»Mir ist gestern was echt Komisches passiert.« Ich nahm einen Keks, biss hinein und redete mit vollem Mundweiter, weil das mit Sadie ging. »Ich habe das Tagebuch meiner Mutter gefunden.«
»Was?«
Ich zuckte die Achseln. »Ich habe nichts davon gewusst. Ich habe ihren Schrank ausgeräumt und alles verpackt, weil Dad mich darum gebeten hatte.«
»Sicher. Du bist einfach lieb.«
»Jedenfalls fand ich dann das Tagebuch in der untersten Schublade, die abgeschlossen war. Ich habe mich immer gefragt, was da wohl drin ist – ich dachte, es wäre ihr teurer Schmuck. Ich habe das Buch von vorn bis hinten durchgelesen. Da steht so viel, was ich nicht wusste … und jetzt habe ich so viele Fragen.«
Sadie zog die Knie an und legte den Kopf schief. »Ich habe die allerbeste beste Idee von allen. Warum haust du nicht für eine Weile ab? Fahr zu eurem Strandhaus nach St. Simons. Nimm ihr Tagebuch mit und geh. Lies und ruh dich aus.«
»Das brauche ich gerade nicht.«
»Was brauchst du dann?«
»Ich muss einen Mann finden …«
Sadie zog die Augenbrauen hoch und lachte. »Du
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