Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
brauchst einen Mann?«
»Nicht für mich.« Ich lächelte. »Also, die Geschichte geht so: Mit zwanzig hat sich Mutter in jemanden verliebt. Jemanden in Alabama. Jemanden, der sich am Ende gegen sie entschieden hat. Einen Mann, der auch mit deiner Mutter befreundet war. Zwei Jahre lang hat Mutter ihre Sommerferien in eurem Sommerhaus verbracht.«
»Schon komisch, dass wir immer noch Sommerhaus sagen, obwohl Mom jetzt die ganze Zeit dort lebt.« Sadie schüttelte den Kopf, und ihr Pferdeschwanz fiel auseinander,sie zog sich das Haargummi über das Handgelenk und sah mich an. »Ich habe keine Ahnung, wer der Mann ist, aber ich weiß, dass deine Mutter dort nicht gern zu Besuch war. Sie hat uns immer überredet, nach St. Simons zu kommen.«
»Ich habe nie darüber nachgedacht. Wir hatten unser Strandhaus in Georgia und sind eben immer dahin gefahren – es gab keine Diskussion. Aber bei Mutter gab es sowieso nie viel Diskussionen, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hatte.«
»Genau«, sagte Sadie.
»Aber was St. Simon anging, war sie nicht einfach nur trotzig. Sie wollte jemandem aus dem Weg gehen, der in Alabama ist oder zumindest war.«
»Vermutlich weiß meine Mom Bescheid, aber sie hat nie etwas gesagt.«
Ich seufzte. »Ich will dem nachgehen.«
»Warum?« Sadie legte ihre Hand auf mein Knie. »Was macht es jetzt noch für einen Unterschied?«
»Ich verstehe einfach nicht, warum sie um diese beiden Sommer so ein Geheimnis gemacht hat. Sie hat zwei ganze Sommer ihres Lebens praktisch ausgelöscht.«
»Ja, für eine Frau, die immer auf die Wahrheit pochte, hatte sie wirklich ihre Geheimnisse. Weißt du noch, wie wir zwei Monate Hausarrest bekamen, weil wir wegen Parsons Party gelogen hatten? Lügen haben sie fuchsteufelswild gemacht … sie hat immer gesagt, und ich zitiere: ›Sag immer die Wahrheit.‹«
»Na, von dieser Wahrheit hat sie nie was gesagt. Und wer auch immer der Mann war, er hat ihr Leben verändert. Ich glaube, sie hat ihm auch einen Brief hinterlassen. Und …« Ich hielt inne. »Im Sommer ’61 war sie angeblichin der Bürgerrechtsbewegung aktiv, und für die AtlantaGeschichtsausstellung wollen sie mehr darüber wissen. Mutter hat mir nie davon erzählt, auch Dad nicht, und … das Historical Center weiß mehr als ich, wie es scheint. Und das ist komisch.«
Sadie lächelte ihr allwissendes Lächeln. Sie hat eine unfehlbare Antenne für jede Art von Schönfärberei. »Und wer genau sind diese ›sie‹, die mehr darüber wissen wollen, Ellie?«
Ich wand mich.
»Wie ich’s mir gedacht habe. Fahr zum Sommerhaus, Ellie. Bleib bei meiner Mutter. Sie wird jubeln vor Freude, dass du kommst. Ich wette, sie kann dir so einige Geschichten erzählen. Und …« Sie zwinkerte. »Du kennst den Mythos – im Sommerhaus ändert sich alles. Die Wahrheit kommt immer ans Licht.«
»Mythos oder Märchen?«
»Das findest du nur raus, wenn du hinfährst.«
»Ich kann nicht einfach … weg.«
»Klar kannst du. Besuch meine Mom. Du bist nur ein paarmal da gewesen, dank der Antihaltung deiner Mutter gegen Alabama.«
»Kommst du mit?«, fragte ich voller
»Ich kann nicht. Kenz und Connor haben übervolle Stundenpläne mit Reitturnieren und Baseballspielen.«
»Ja, ich weiß«, sagte ich. Sadies Teenager haben mehr Freizeitaktivitäten als jedes andere Kind, das ich kenne. Und würde ich Sadie nicht so lieben, dann würde ich sie dafür hassen, dass bei ihr alles so leicht und locker und normal wirkt.
»Ich kann mit dir runterfahren und dich hinbringen«, sagte sie. »Und dann bleibst du, solange du willst.«
»Es geht nicht. Ich kann Dad nicht allein lassen. Was, wenn Lil nach Hause kommen will, und ich bin nicht hier? Ich muss mich um die Spendenaktion für die Kirche kümmern, und dann ist da auch noch die Party zu Tinsleys fünfzigstem Geburtstag.«
»Meine beste Freundin und ihre Liste. Immer eine Liste.«
Ich habe einen Spleen für Listen. Ich lege immer Listen an: Was ich erledigen muss, wo ich hinmuss. So halte ich Ordnung, und das braucht Rusty: Ordnung.
»Es geht einfach nicht«, sagte ich.
»Das Gästehaus steht dir jederzeit zur Verfügung.«
»Ich denke darüber nach. Versprochen.«
Aber stattdessen dachte ich über Hutch O’Brien nach, bis es fast zur Besessenheit wurde, als hätten die vielen Male, die ich mich gezwungen hatte, nicht an ihn zu denken, sich aufgestaut und kämen jetzt auf mich zugerauscht wie eine gefährliche Riesenwelle. Ich erinnerte mich, wie wir zusammen
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