Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
Interstate 285 –, in denen Menschen wohnen und behaupten: »Ich lebe in Atlanta.« Das wird von den alten Bewohnern Atlantas heftig bestritten, die im Piedmont Hospital oder im Crawford Long geboren wurden, deren Eltern und Großeltern dem Piedmont Driving Club oder dem Cherokee Town and Country Club angehörten – am besten beiden.
Diese Leute bezeichnen die »außerhalb des Rings« der Interstate 285 Wohnenden als ADR, und wenn sie die eigenen, nach Marietta oder Duluth oder Peachtree Corners umgezogenen Kinder besuchen, dann packen sie für den Weg unter den Betonschlangen von Spaghetti Junction hindurch Zahnbürste und saubere Unterwäsche einund machen eine Pause, bevor sie ihr Ziel in den sicherheitsumzäunten Vorstadtgegenden erreichen.
Manche behaupten, dass die Peachtree Street früher das echte Atlanta symbolisiert hat, das Atlanta aus Vom Winde verweht , aber heutzutage wird die Straße zu Peachtree Industrial oder Peachtree Parkway und führt dann weiter bis ins Nirgendwo. Doch mich führte die Peachtree Street jetzt zur Auffahrt der Broomes. Ich blieb kurz im Wagen sitzen und betrachtete das Haus meiner Kindheit nebenan.
Als ich den Blick wieder dem Haus der Broomes zuwandte, sah ich Sadie und Annie auf die Haustür zugehen. Sie hielten an und winkten, als hätten sie mich ewig nicht gesehen. Rusty würde später herkommen, er hatte noch einen Termin. Ich ging meine Freundinnen begrüßen.
»Du siehst wunderbar aus«, sagte Sadie.
Beide trugen legere Kleidung, die mehr kostete als so manches Ballkleid. »Ihr aber auch«, sagte ich.
Wir betraten das Backsteinhaus von Annies Eltern. Die Eingangshalle schimmerte in sanftem, indirektem Licht, wie Mutter es ebenfalls in allen Zimmer hatte installieren lassen, um ihre perfekt gepflegte Haut zum Leuchten zu bringen. Der Partyservice klapperte in der Küche herum, das Aroma von Rosmarin mischte sich unter den Geruch des Broomeschen Hauses.
Mrs. Broome rief meinen Namen und lächelte ehrlich erleichtert: Ich kannte Annies Mutter gut genug, um zu wissen, dass sie nach Mutters Tod und Lils Auszug fürchtete, ich könnte durchgedreht sein und würde vergessen, zu baden oder zu Dinnerpartys zu erscheinen.
Ich umarmte Mrs. Broome. »Alles Gute.«
»Nun, Liebes, du weißt ja, mir ist jeder Anlass recht für eine gute Party.«
Wir gingen alle in Richtung Küche, als Dad hinter mir auftauchte und mich in seine Arme zog. »Hallo, Dad.« Ich drehte mich um und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Der Geruch süßlichen Whiskeys umwehte sein Gesicht.
»Du siehst toll aus, Käferchen. Wirklich toll.« Dabei zog er die Augenbrauen hoch.
»Hast du etwas anderes angenommen?«
»Etwas anderes?«
»Als toll aussehen«, sagte ich.
»Nun, du hast schlimme Tage hinter dir, nicht?« Er strich sein Poloshirt glatt, was gar nicht nötig war.
»Mir geht es gut, Dad.« Ich gab Roger, dem Barmann, ein Zeichen. Ich kenne ihn seit zwanzig Jahren, und er weiß genau, was ich will: Martini, geschüttelt, ein wenig Gin, drei Oliven. Er lächelte und nickte, während Dad weitersprach. »Vorhin beim Golf hat Rusty erzählt, du wärst heute morgen völlig durcheinander gewesen. Ich habe ihm gesagt –«
»Durcheinander? Ich?«
»Er sagte, du wärst nicht ins Bett gegangen, sondern hättest die ganze Nacht gelesen.«
Roger reichte mir meinen Martini. Ich nahm einen großen Schluck. »Mir geht’s gut, Dad.«
Hier in Buckhead existiert noch eine andere Welt, zu der ich nur eingeschränkt Zugang habe, das Reich der Männer. Nicht, dass Dad Rusty mehr liebt als mich, aber sie spielen seit über zwanzig Jahren zusammen mit denselben Männern Golf. So ist das bei Club-Männern: Sie machen das, was sie immer gemacht haben, mit denselbenMännern, mit denen sie es immer gemacht haben, an genau dem Wochentag, an dem sie es immer gemacht haben. Sie spielen auf piekfeinen Plätzen Golf und gehen danach gemeinsam in die Bar für Männer, wo Frauen keinen Zutritt haben. Im Ernst.
Ich lächelte Dad an. »Ich mache mal die Runde und sage allen hallo.« Immer mehr Paare waren eingetroffen, und wenn ich mich mit etwas auskannte, dann waren es die sozialen Gepflogenheiten im Haus der Broomes – dieselben wie in meinem eigenen Elternhaus.
»Hey, Baby.« Rusty kam in einer scharf gebügelten Khakihose, einem Golf-Poloshirt und mit einem Lächeln auf den Lippen auf mich zu – seine Uniform.
Ich lächelte zurück, er umarmte mich und schob seine Hand in meine.
»Du siehst toll aus heute
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