Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
und schob mich zur Bar hin. Ich kam blinzelnd wieder zu mir. »Ja, bitte zwei Bud Lights vom Fass, kalt.«
Er lachte. »Ein bisschen früh dafür, aber ich kann Ihnen den Wunsch erfüllen.«
Da er Alkohol verkaufte, musste er einundzwanzig sein, sah aber viel jünger aus. Das ist das Schreckliche und Unausweichliche am Älterwerden: Wahlberechtigte Erwachsene sehen aus wie Kleinkinder.
Ich setzte mich auf einen klebrigen Barhocker, Sadie daneben. Wir sagten kein Wort, während der dunkelhaarige Barmann das Bier einschenkte. Wie auf Kommando schwangen wir herum und nahmen den Raum in Augenschein. Poster, die Bier, Wodka, Bands, Partys und sogar Zigaretten anpriesen, hingen schief und krumm an den schokoladenfarbenen Wandpanelen. Die Bühne lag im Dunkeln, und die Tische standen überall verteilt.
Sadie machte als Erste den Mund auf. »Wir sind in einerZeitschlaufe. Nichts hat sich geändert. Echt komisch. Allerdings war es nie so leer, wenn ich hier war.«
Der Barmann stellte uns die Biere hin. »Sie sind schon mal hier gewesen?«, fragte er.
»Vor langer, langer Zeit«, sagte ich.
Er sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Dann müssen Sie ja ein Kleinkind gewesen sein.«
»Nein«, sagte ich, wurde rot und war dankbar, dass er mich nicht klar sehen konnte. »Wir waren in den Achtzigern hier.«
»Oh«, sagte er, und ich stellte mir vor, wie er sich eine Zeit auszumalen versuchte, die vor seiner Geburt lag und unbegreiflich für ihn war.
Sadie trank einen großen Schluck Bier. »Das war die Zeit von Zopfbändern und Stulpen und Bierfässern und Mick Jagger und –«
»Stop«, sagte ich. »Du machst ihm Angst.«
Er lachte. »Nein.«
Dann ging er die Tische abräumen, und Sadie und ich tranken schweigend weiter unser Bier. Schließlich sah sie mich an. »Ihr beide – du und Rusty – seid nie zusammen hier gewesen. Immer nur wir Mädchen.«
»Er ging nicht gern mit mir aus, wenn ich mit meiner Clique oder anderen Leuten zusammen war. Er wollte, dass wir … nur wir sind. Ich fand das süß. So süß. Ich dachte, er wollte mich ganz für sich. Er würde mich a
»Komisch, wie wir Kontrollwahn mit Liebe verwechseln.«
»Genau«, sagte ich und schluckte meinen Wunsch, zu weinen, mit einem großen Schluck kaltem Bier herunter.
Wie immer hörte Sadie trotzdem die Traurigkeit inmeiner Stimme. »Tut mir leid, ich habe das nicht so gemeint –«
»Nein, es stimmt ja. Ich dachte, das sei seine Art, mich zu lieben.«
»Themawechsel.«
Ich starrte Sadie kurz an. »Ich glaube, Hutch wird in Bayside sein, Sadie.«
Sie setzte das Glas ab. »Du glaubst?«
»Na ja, er hat gesagt, er werde hinfahren, weil er die Ausstellung über die Frauen abschließen wolle und noch ein paar Fakten über Mutter brauche. Aber ich habe ihm gesagt, dass das keine gute Idee sei, dass ich ihm berichten würde, was ich herausfinde.«
»Die Ausstellung abschließen? Meinst du wirklich, dass er nur die abschließen will, Ellie?«
»Ja, sicher. Er hat eine Freundin. Ich bin überhaupt überrascht, dass er mich nicht hasst. Herrje, wir haben über zwanzig Jahre nicht miteinander gesprochen, und das letzte Mal davor … lief nicht gut ab.«
»Ellie …«
»Was?«
Sie schüttelte den Kopf. »Du bist ein kluge, erwachsene Frau. Du brauchst keine Ratschläge von mir. Zum Teufel, schließlich suchen doch alle bei dir Rat. Ich kann dir nichts sagen, was du dir nicht selber sagen würdest.«
»Genau«, sagte ich.
Das Summen der Klimaanlage war das einzig hörbare Geräusch, bis wir die leeren Gläser abstellten. »Lass uns Lil besuchen und dann weiter nach Bayside fahren«, sagte Sadie.
Ich nickte, legte einen Zwanziger auf den Tresen, was viel zu viel war, aber Collegestudenten sind keine gutenTrinkgeldgeber. Wir riefen dem Barmann einen Abschiedsgruß zu, er antwortete: »Bis später«, als ob wir am Abend zum Bandauftritt wiederkommen würden.
»Was mir am meisten auffällt«, sagte ich zu Sadie, »ist, wie dunkel es hier drinnen war und ist, und trotzdem … hatten wir nicht einen Heidenspaß hier?«
Sie hielt in der Tür inne und blickte zurück in den dunklen Raum. »Ja.«
»Also muss etwas nicht unbedingt gut aussehen, um gut zu sein.«
»Vielleicht hätte uns mal jemand sagen sollen, dass der äußere Schein nicht unbedingt etwas mit dem inneren Fühlen zu tun hat.«
»Ja, und wer hätte das sein sollen?«
»Nicht unsere Eltern.« Sie legte mir den Arm um die Schultern, und wir gingen hinaus ins gleißende
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