Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
nur wegwillst. Wir gehen an den Strand oder unternehmen irgendwas Schönes.«
Sie nickte. »Okay.« Sie schwieg eine ganze Weile, bevor sie endlich die Frage stellte, die ihr wohl die ganze Zeit schon auf der Zunge gebrannt hatte, weil sie schnell und leise kam, wie alles, was ihr wichtig war. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ja.«
»Und du sagt das nicht, um mich zu beruhigen?«
Ich gab ihr einen Kuss, in dem Moment machte Sadie die Tür auf, als hätte sie davor gestanden und gewartet, bis unser Gespräch zu Ende war, was sie wahrscheinlich auch getan hatte. Mit einer Tüte in der Hand kam sie herein. Normalerweise war ihr Auftreten ungestüm, laut, fröhlich, für uns hatte sie ihre übersprudelnde Begeisterung leicht gedämpft.
»Bist du bereit?«, sagte sie.
»Ja.« Ich stand auf und streckte mich. Lil erhob sich ebenfalls und umarmte mich.
»Ich habe dich lieb«, sagte sie.
»Ich habe dich auch lieb.« Sie hielt mich einen Moment länger fest.
Und auch als ich im Auto saß und nach Bayside fuhr, ließ ich sie nicht los, diese einfache, komplizierte Liebe.
nbeten.«
Aus Lillian Ashfords Tagebuch
Silvester 1961
Einundzwanzig Jahre alt
Wir fanden Seinen besten Freund blutend und bewußtlos auf der Straße liegen. Die Schwestern und Ärzte in der Notaufnahme wollten ihn nicht behandeln, weil er schwarz war. Ein Neger, sagten sie. Ich war so rasend vor Wut, daß ich, als alles vorbei war, als das Krankenhaus Seinen besten Freund aufgenommen hatte, als wir gegangen waren und nach Hause fuhren, immer noch zitterte. Er nahm mich in jener Nacht in Seine Arme, unser Liebesakt war etwas völlig Neues, Einzigartiges – mein ganzes Ich war darin, aber gleichzeitig war ich völlig leer, bis auf mein Verlangen nach ihm.
Aber Sein Schmerz begleitete uns den ganzen Sommer – Er gab sich selbst die Schuld dafür, nicht rechtzeitig in Montgomery gewesen zu sein. Ich versuchte, diese Schuldgefühle in ihm zu besänftigen und zu heilen, und ich dachte, es wäre mir gelungen. Ich glaubte, es wäre mir gelungen.
In der Nacht des Jubilee – der Nacht, wenn alles vergeben wird, wenn alles neu beginnen kann, liebten wir uns am Ufer der Bucht, und ich dachte, er hätte sich selbst vergeben.
Aber ich irrte mich.
Z EHN
T ag wurde zu Nacht, die mich weich einhüllte und den Knoten löste, den ich seit Monaten im Magen hatte. Sadie und ich saßen auf der hinteren Veranda des Gästehauses. Sie hatte die Augen geschlossen, während ich mich auf dem Schaukelstuhl zurücklehnte. »Der Knoten ist weg«, sagte ich.
Sie antwortete, ohne die Augen zu öffnen. »Welcher Knoten?«
»Der, der meinen Magen verdrängt hatte.«
Sie seufzte lang und voller Erleichterung. »Das hatte ich gehofft. Wirklich gehofft.«
Wir waren abends in Birdie Worthingtons Sommerhaus angekommen. Die Häuser in Bayside, Alabama, waren Bollwerke gegen Zeit, Stürme, moderne Entwicklungen und die bewundernden Blicke zu vieler neugieriger Besucher, aber sie standen auch für Tradition, Familie und Schönheit. Sie reihten sich wie Perlen einer Kette am Saum eines Hochzeitskleids entlang einer schmalen, kilometerlangen Küstenstraße auf, die in Bayside ihren Anfang hat und sich über die ganze Küste erstreckt. Ich spürte Traurigkeit bei dem Gedanken, dass ich nie all die wunderbaren Geschichten und Leben kennen würde, die sich in diesen Sommerhäusern abgespielt hatten. Tore und Hecken versperrten die Sicht auf viele der Häuser, und als Sadie abbremste, hatte ich mich erschreckt gefragt, was sie vorhatte, weil sie direkt in ein Gebüsch mit Magnolienbäumen abzubiegen schien. Dann sah ich sie – die verborgeneEinfahrt. Ich trat auf die Bremse und schlitterte Sadie hinterher, die sich bestimmt über mich kaputtgelacht hatte.
Ich hielt an und ließ die Schönheit auf mich wirken. Alle Häuser sind so gebaut, dass die Rückseite zur Straße hin liegt. Birdies Haus war weiß, mit hellblauen Fensterläden, die sich gegen die weißen Seiten wie Teiche zwischen wirbelnden weißen Wolken ausnahmen. Eine überdachte Veranda führte um das gesamte untere Stockwerk des Hauses herum, darauf Schaukeln, Schaukelstühle und Pflanzen in solcher Fülle, dass sie nach außen und oben durch alle Lücken wuchsen. Ein handgemaltes, verwittertes Schild stand neben dem Gehweg angelehnt: SOMMERHAUS.
Wir parkten, Sadie stieg aus und zeigte auf ein identisches, aber viel kleineres Haus zur Linken. »Das ist dein Gästehaus.« Dann deutete sie auf das Sommerhaus-Schild.
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