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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Callahan Henry
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der Stille wuchs: Wut.
    »Ich will nicht, dass du gehst«, sagte Rusty und standauf. Er ging zu meinem Koffer, warf mir ganz ruhig einen Haufen Klamotten vor die Füße und leerte den Rest auf dem Fußboden aus.
    Ich vergrub das Gesicht in den Händen, ich konnte ihm nicht dabei zusehen. Er verließ den Raum und knallte die Tür zu, dass das Ölgemälde wackelte. Ich ging hin und rückte es gerade, dann kniete ich mich auf den dicken Teppich und packte meinen Koffer wieder ein.
    Im Haus war nur das Summen der Klimaanlage zu hören, das den Schmerz in meiner Brust neutralisierte, als ich mit einem Haufen Kleidung in die Waschküche ging. Er würde sich entschuldigen, das tat er immer.
    Und das sah ich vor meinem inneren Auge, als ich in meiner gekachelten Waschküche stand: einen riesigen Marmorklotz, den ich Rusty an unserem Hochzeitstag geschenkt hatte – reiner, weißer, makelloser Marmor. Mit jedem Wutausbruch, mit jedem grausamen Wort und jedem Moment der Missachtung, mit jedem Mal, als er die Hand gehoben und mir gesagt hatte, ich solle aufhören zu diskutieren, hatte er ein Stück vom Marmor abgeschlagen. Und jetzt hielt ich nur noch einen einzigen, kleinen Kiesel in meiner Hand.
    Ich stand in der Waschküche und schrieb eine Liste mit den Dingen, die in meiner Abwesenheit zu erledigen waren, da hörte ich seine Schritte. Ich hielt inne und wartete. Er kam zu mir in die Waschküche und zog mich in seine Arme. »Gott, Liebling, es tut mir leid. Das war albern, die Klamotten durch die Gegend zu werfen. Ich bin ein Idiot. Ich ertrage es nur nicht, dich nicht hier im Haus zu haben. Wenn du nach Bayside fahren musst, dann tu das bitte. Aber du sollst wissen, wie sehr ich dich vermisse.«
    »Danke.« Ich wand mich aus seinem Armen, warf eineLadung weiße Baumwollsachen in die Maschine, zog dann Wäsche aus dem Trockner und begann, diese zusammenzulegen.
    »Wollen wir nicht ein Glas Wein auf der Veranda trinken? Der Abend ist wunderschön.«
    Ich nickte, mit dem Rücken zu ihm. »Sicher, ich komme gleich.«
    »Vergiss das von vorhin«, sagte er.
    Ich drehte mich um. »Ich wünschte, das könnte ich.«
    »Was zum Teufel soll das heißen?«
    »Ich wünschte, ich könnte deine Wutausbrüche einfach vergessen, Rusty. Wirklich. Ich habe mich so sehr bemüht.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe mich entschuldigt.«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    Er nahm meine Hand. »Komm, du kannst später die Wäsche zusammenlegen.«
    Zusammen gingen wir in den Garten hinaus.
    ptiert.«

Aus Lillian Ashfords Tagebuch
    Silvester 1961
    Einundzwanzig Jahre alt
    In diesem Jahr ist alles zusammengekommen und dann wieder auseinandergefallen.
    Der Sommer begann mit Ihm, wie ich es mir gewünscht hatte, wie ich es gewußt hatte. In diesem Sommer habe ich die schönsten Minuten meines Lebens erlebt. Nur in Seiner Nähe war ich nicht einsam – in meinem ganzen Leben war das die einzige Zeit, in der ich nicht einsam war.
    Ich will den Moment finden, in dem alles auseinanderfiel – es muß ganz am Anfang schon begonnen haben – das, was uns zusammenbrachte und was uns auseinanderriß, ist an dem einen Tag ineinander verschlungen, an dem wir Seine Freunde aus Alabama treffen wollten, die von einem Freiheitsmarsch kamen. Er holte mich von der Uni ab – ich hatte im Mai gerade die Prüfungen beendet. Natürlich wußte ich, daß diese Freiheitsmärsche gefährlich waren – aber mein Wissen war Theorie, etwas, das man in den Nachrichten sieht. Wir wollten in Montgomery auf den Bus warten – und den Freunden unsere Unterstützung zeigen. Aber als wir dort eintrafen, waren die Kämpfe schon vorbei. Die Polizei hatte den Bus im Stich gelassen, ihn allein nach Montgomery fahren lassen, und dort hat der Mob die Fahrgäste zusammengeschlagen. Es war das Schlimmste, was ich je gesehen habe. Wie, oh, wie können Menschen einander so etwas antun?

N EUN
    U m zwei Uhr nachmittags überquerten Sadie und ich die Grenze in den Staat Alabama. Sadie fuhr hinter mir, und über unsere Handy-Headsets hatten wir die ganze Interstate 85 durch Peachtree City, Newnan, LaGrange bis nach Auburn hinein gequatscht. Doch meine Gedanken kreisten weiterhin um Rusty.
    Seine Wut kam unregelmäßig, aber loderte auf wie Flammen, in die man Benzin gießt – unmittelbar, heiß und dann schnell in sich zusammenfallend. Zu Beginn unserer Ehe hatte ich seinen Ärger unter »HB-Männchen« eingeordnet. Er tat mir nie weh, wenn er wütend wurde, schlug oder beschimpfte mich nicht.

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