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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Callahan Henry
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an, ihr Gesicht wirkte jung. »Mit dem Leben ist es genauso. Manches entzieht sich unserem Verständnis.«
    Ich nickte, denn mehr konnte ich nicht tun.
    »Manche Menschen legen Listen an, um Erklärungen zu finden. Aber man kann nicht alles beweisen. Warum sollte man auch das Mysterium des Lebens lösen wollen?«
    »Ich will das nicht«, sagte ich. »Niemals. Was bleibt denn ohne das Mysterium, das Unsichtbare?«
    Birdie strahlte mich an, als wäre ich zwölf und mit nichts als Einsen im Zeugnis nach Hause gekommen.
    »Als ich klein war«, sagte Sadie, »hatte ich öfter Albträume, ich war unter Wasser geraten, fand den Weg nach oben oder unten nicht mehr, und atmen konnte ich auch nicht.«
    »Klingt nach meinem Leben«, sagte ich, was witzig sein sollte, aber meilenweit davon entf
    »Ich bin immer aufgewacht, bevor ich an der Oberfläche war und wieder atmen konnte.« Sadie lächelte mich an. »Aber du – du tauchst jetzt jeden Moment wieder auf.«
    »Ja.« Das Lachen war echt. »Und finde mich in einem Netz wieder.«
    Birdie lachte das leise, wunderschöne Lachen einer Mutter. »Die meisten schwimmen sich frei«, sagte sie, riss das Blatt vom Notizblock ab und ging zum Mülleimer.
    Ich berührte sie am Arm. »Kann ich die haben?«
    »Die Liste?«, fragte Birdie.
    Sadie lachte. »Du weißt doch, Mom, Ellie ist besessen von Listen.«
    Ich stieß Sadie mit dem Fuß an. »Nicht deswegen. Als Erinnerung, dass man nicht alles mit einer Liste lösen kann.«
    »Das hätte ich nicht besser sagen können.« Sadie stand auf. »Wenn ich’s mir recht überlege, dann habe ich das gesagt.«
    Birdie wollte unsere Teller abräumen, aber Sadie kam ihr zuvor, nahm das Besteck vom Tisch und spülte es ab, bevor sie es in die Spülmaschine steckte. Währenddessen zählte sie die Aktivitäten auf, in die ich mich nach ihrer Abfahrt in Bayside stürzen könnte. Dann drehte sie sich zu mir um. »Alles wird gut.«
    »Aber sicher. Und mit all den Dingen, die ich hier unternehmen kann …«
    Sie verzog den geschlossenen Mund zu diesem niedlichen Lächeln, das sie schon immer gehabt hat – wenn sie versucht, nicht zu lächeln, es ihr aber nicht gelingt. »Du nimmst mich auf den Arm«, sagte sie.
    »Nie im Leben.« Ich sah zu Birdie hinüber, das Herz schlug mir bis zum Hals. »Könnte ich dir wohl ein paar Fragen über meine Mutter stellen?«
    »Deswegen bist du doch hergekommen!« Birdies Lachen brachte die Blase des Schweigens zum Platzen, sie lehnte sich gegen die Arbeitsfläche, stützte die Hände ab und lächelte, als wolle sie jede meiner Fragen mit diesem Lächeln auffangen.
    »Ich weiß nicht, wie oder wo ich anfangen soll.«
    »Fang einfach so an wie damals in der zweiten Klasse, als du Angst hattest, vom Dreimeterbrett zu springen.« Birdie hob eine Hand, wie zum Segen.
    »Na ja, da hat Sadie mich geschubst. Ich bin gar nicht gesprungen.«
    »Genau.«
    »Also, ich habe Mutters Tagebuch gefunden. Darin hat sie immer ihr Jahr aufgeschrieben – keine genauen Angaben wie Namen und Daten, nur eine Zusammenfassung des vergangenen Jahres und ihre Ziele für das kommende Jahr. Sie glaubte, ihre Wünsche würden in Erfüllung gehen, wenn sie sie aufschreibt. Und absurderweise ist das in den meisten Fällen auch geschehen. Außer in einem. Einem speziellen.«
    »Er«, sagte Birdie.
    »Ja. Wer ist Er?«
    Birdie wandte den Blick ab. »Er.« Sie seufzte, wandte sich dem Fenster zu und starrte eine halbe Ewigkeit auf die Bucht hinaus, und in ihrem Schweigen lagen all die Antworten, die ich suchte. Als sie sich wieder umwandte, war das Lächeln verschwunden und ihr Gesicht verschlossen und ausdruckslos. »Lass es ruhen, Ellie. Es ist nicht mehr wichtig. Sie hat das vor langer, langer Zeit durchgemacht. Sie hat sich damit abgefunden und weitergelebt. Ich erzähle dir, was wir in jenem Sommer gemacht haben, wie wir die Bürgerrechtsbewegung unterstützt haben, aber über Ihn sage ich nichts. Warum hat sie das Tagebuch nicht verbrannt?«
    »Ich glaube, sie wollte es verstecken oder weglegen. Birdie, das Leben, über das sie geschrieben hat, und das Leben, das sie gelebt hat, sind zwei völlig verschiedene Dinge. Das gelebte Leben war organisierte Perfektion, aber beschrieben hat sie ein Leben voller Zerbrochenheit und Schmerz.«
    »Ich erzähle dir die Geschichte jenes Sommers, aber ichsage dir nicht Seinen Namen. Das wäre weder Ihm noch deinem Vater gegenüber fair.«
    »Ich habe ein bisschen darüber gelesen, was passiert ist … aber es

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