Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
die ich aber kannte. Ich sah auf und in sein Gesicht: Hutch, neben mir und Sadie stehend, mit einem Blick, als wären wir Meerjungfrauen oder etwas noch Geheimnisvolleres.
»Man weiß nie, was ein Jubilee so ans Ufer schwemmt, wie?«, sagte er, seine Stimme voller beeindruckter Bewunderung.
In dieser mysteriösen Nacht, in diesem Moment reinster Überraschung sprang ich spontan los und warf meine Arme um Hutch. Die Taschenlampe in seiner Hand blendete mich.
»Hutch«, rief ich, bis mir einfiel, wer ich war, und zwar keine achtzehnjährige Freundin, sondern eine verheiratete Frau von über vierzig. Wir lösten uns voneinander, Schamesröte breitete sich auf meinem Gesicht aus, so warm und leuchtend wie das Wasser in der Bucht. »Ach, du auch hier?«, fragte ich mit dem Anflug von Sarkasmus, der ihm nicht entgehen würde.
»In der Tat, ich auch.« Er deutete hinter sich, wo ein Mann ein kleines Kind umrundete und neben Hutch trat. »Erinnerst du dich an Drew?«
»Ja«, sagte ich. »Hallo, Drew …«
Vier alte Collegefreunde, Sadie, Drew, Hutch und ich, standen also im mondbeschienenen Wasser.
Sadie kam zu uns. »Hutch, wie geht es dir?«
»Gut. Euch hier zu treffen …« Er schüttelte den Kopf. »Ein Jubilee ist eine wundersame Sache.«
Sadie bespritzte die beiden Männer mit Wasser.
»Wohnst du hier?«, fragte ich Drew, den ich nicht wiedererkannt hätte, zehn Kilo schwerer und kahl.
»Ja, ich lebe hier. Seit dem Veterinärsstudium.«
»Du Glückspilz.«
Er sah Sadie an, die das Netz in der Hand hatte. »Habt ihr Krabben gefangen?«
»Ich wollte Ellie gerade zeigen, wie das geht, aber ich bin keine gute Lehrerin.«
»Ha …« Hutch pumpte sich in scherzhafter Machomanier auf. »Ich bin Fachmann.«
»Klar«, sagte Drew.
»Nein, ehrlich.« Hutch streckte die Hand aus. »Ich bring’s dir bei.«
Sadie schüttelte den Kopf. »Angeber.«
Das Netz war aus Nylon, perlenfarben, mit kleinen silbergrauen Gewichten um den Rand herum. Hutch warf es über dem Wasser aus, und es schien, als würde sich ein Vollmond mit bleiernem Rand über die Bucht legen, dann sank es unter die Oberfläche und fing einen Krabbenschwarm ein. Er zog das Netz aus dem Wasser und leerte eine kribbelnde, krabbelnde Masse in einen Eimer. »Mal probieren?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
»Komm schon. Ich zeige es dir. Das ist ein kleines Netz, das schaffst du.«
»Ich bin in so was nicht sehr gut, glaube ich.«
»Das weißt du erst, wenn du’s versucht hast.« Er stand hinter mir, legte seine Hände auf meine und zeigte mir, wie ich das Netz am linken Handgelenk festbinden musste. Er zog mich an sich, und vor meinem inneren Auge sah ich jede Linie und Kurve seines Körpers, warm und vertraut, ich ließ mich gegen ihn sinken. Dann nahm ich das Netz zur Hälfte und hielt das untere Ende zwischen den Zähnen. Es schmeckte nach Schlamm und Salz und allen Dingen dieser Erde. Er umfasste meine rechte Hand, zusammen warfen wir das Netz wie ein Frisbee über das Wasser, aber es verknüllte sich und landete als Haufen auf der Wasseroberfläche und ging langsam unter. Wir lachten.
»Hab ich’s doch gesagt«, sagte ich.
Hutch zog das Netz hoch. Zwei Krabben waren darin, ich nahm sie in die Hand. Die schlüpfrigen, weißlichen, fast durchsichtigen Körper glitten durch meine Finger. Die Fühler kitzelten auf meinen Handflächen. Ich warf die Krabben in den Eimer.
»Also«, sagte er, »können wir uns morgen irgendwann treffen und einen Plan machen?«
»Ganz klar …«
Er senkte die Stimme, Drew und Sadie unterhielten sich gerade. »Hör zu, Ellie. Es geht um meine Arbeit. Um die Ausstellung. Um nichts anderes. Das soll das beste Projekt werden, das ich je gemacht habe. Und mir fehlt nach sechs Monaten Arbeit noch dieses letzte Teil.«
Ich nickte. »Gut, lass mich mit Birdie reden und irgendeinen Anfang finden.«
»Großartig.«
Ich hatte die anderen beiden schon fast vergessen, als plötzlich Drews Stimme ertönte. »Wir würden gerne noch mehr hören, aber wir haben einen Eisauftrag.«
»Einen Eilauftrag?«, fragte ich.
»Nein, nicht ganz«, sagte Drew. »Wir werden mit einer Kühlbox voller Eis für den Fisch erwartet. War schön, euch zu sehen.« Er tippte sich mit dem Finger an die Baseballkappe, dann waren Drew und Hutch verschwunden, als wären sie nie da gewesen.
Sadie und ich starrten uns einen langen Moment sprachlos an und brachen dann wie auf Stichwort in Gelächter aus. Ich ließ meine Freude durch mich
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