Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
lächelnd auf in den Himmel. Birdie hatte mich gewarnt, dass das passieren würde – dass er seine Frau erwähnen würde, die vor zehn Jahren verstorben war.
Ich nickte. »Bestimmt ist ihr Salat besser als meiner«, sagte ich und ließ das Wechselgeld auf der Holztheke liegen, die aus einer Sperrholzplatte auf zwei alten Fässern bestand.
Er zählte langsam und lächelte dann. »Danke.«
»Bis morgen.« Ich nahm meine Tasche.
»Ganz bestimmt«, sagte er. »Und jetzt tun Sie, was Sie tun wollen, ich wünsche einen schönen Tag.«
Ich wollte mich umdrehen und schreien: »Wenn ich wüsste, was ich tun will, dann würde ich das tun.« Aber ich grinste bloß.Ich parkte in einer Seitenstraße neben dem Buchladen und merkte dann, dass ich die zwei Blocks auch hätte laufen können. Im Laden vernebelte mir der staubig-süßliche Geruch von Büchern die Sinne. Ich kam mir in die Grundschulzeit zurückversetzt vor, als ich mich in den Mittagspausen immer in der Schulbibliothek verkrochen hatte, um nicht mit all den lächelnden, schönen Menschen reden zu müssen. Damals schien jeder genau zu wissen, wie man glücklich ist. Nur ich kannte bloß die Knoten im Magen, die mich davon abhielten, den Mund aufzumachen und etwas Sinnvolles zu sagen. Natürlich hatte ich das bis zur Mittelstufe überwunden, aber nicht ohne Sadies eiserne Hand im Rücken.
Im Buchladen war es zugleich ruhig und geschäftig, wie in einem Wald: Immer passiert etwas, aber alles läuft still und effektiv ab. Im ganzen Raum standen Regale dicht an dicht wie schüchterne Gäste auf einer überfüllten Party, die darauf hofften, angesprochen zu werden. Ich bahnte mir meinen Weg an ein paar Frauen vorbei, die Bücher aus den Regalen gezogen hatten und die Klappentexte lasen. »Entschuldigung« murmelnd kam ich endlich bis zu einem verlassenen Kassentisch durch.
Auf Zehenspitzen suchte ich den Raum nach einem Verkäufer ab, da schoss plötzlich ein junges Mädchen hinter der Kasse hervor. Ich musste lachen. »Hi«, sagte sie. »Brauchen Sie Hilfe?«
»Ich habe Sie gar nicht gesehen.« Ich lehnte mich über den Tisch, um herauszufinden, wo sie eigentlich hergekommen war.
»Ich war am Abheften.« Sie zeigte auf Papierstapel auf dem Boden.
»Ich suche nach einem Buch über die Geschichte vonAtlanta, besonders die Zeit zwischen 1950 und 1970. Mit Bildern«, sagte ich.
»Hmm …« Sie starrte an mir vorbei auf die Straße. Das lange dunkle Haar fiel ihr auf den Rücken, die Augen kniff sie nachdenklich zusammen.
»Ich weiß was«, sagte sie schließlich, trat hinter dem Tisch hervor und marschierte vorweg. »Kommen Sie mit.«
Sie ging und redete gleichzeitig, und ich musste mir das Lachen verbeißen, weil sie ganz offensichtlich ein Teenager war mit ihrem schlaksigen Gang, den wippenden Haaren und der abgeschnittenen Jeans, aber sie gab sich, als würde ihr der Laden gehören. »Wir haben eine ganze Reihe von Geschichtsbüchern, doch ich glaube, für Sie wäre Atlanta und Umgebung das Beste. Und dann haben wir auch noch wunderschöne Bildbände über andere Orte im Süden. Eines ist aus den Sechzigerjahren, glaube ich. Wenn wir es nicht da haben, dann steht es bestimmt in der Bibliothek, oder ich kann es Ihnen bestellen.« Sie hielt vor einem Regal mit lauter großen Büchern an und zog eines heraus. »Hier.«
Ich schlug das Buch auf, groß wie eine Familienbibel. »Danke«, sagte ich.
»Kein Problem. Sehen Sie sich in Ruhe um.« Mit dem Finger strich sie über die Buchrücken, als wären es Kinder. »Falls Sie Fragen habe, ich heiße Ashley, Sie finden mich vorne an der Kasse.«
»Gut, Ashley. Danke sehr.«
Unvorstellbar, dass Lil oder Sadies Tochter Kenz sich so ausdrücken würden. Ich hatte mir immer auf die Zunge beißen müssen, um Lil nicht ständig zu triezen, das Wort »irgendwie« aus ihrem Wortschatz zu tilgen. Als ich mir zwei Bücher ausgesucht hatte, bemerkte ich den durchdringendenGeruch von Ölfarbe und folgte ihm wie magisch angezogen bis ins Nebenzimmer, wo ich auf einen Schatz stieß: einen Laden für Kunstbedarf, der an den Buchladen anschloss.
Das Gebäude war in sich eingedreht wie eine schlafende Katze, so dass der Buchladen an der Hauptstraße lag, das Café und der Kunstladen in der Seitenstraße um die Ecke. Ich ließ die Bücher auf einem Cafétisch und suchte nach Plakatkarton und Papier für die Zeichnung der zeitlichen Abfolge. Als dann noch Hutchs Stimme ertönte, legte sich ein Lächeln auf mein Gesicht.
Zwar sprach
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