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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Callahan Henry
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ging eher um ihr gebrochenes Herz als um die Umstände.«
    »Wir reden später weiter.« Mit einem Nicken schloss sie das Thema ab, und egal, wie sehr ich die Geschichte in eben diesem Moment hören wollte, ich würde warten müssen. Sie umfasste mein Gesicht mit den Händen. »Es ist so wunderbar, dich zu sehen. Ich bin so froh, dass du hier bist. Du bist für mich immer eine Tochter gewesen.«
    »Mir kommen gleich die Tränen«, sagte ich, lachte aber dabei und küsste sie auf die Wange. »Danke, dass ich hier sein darf.«
    Sadie und ich gingen zusammen über das nasse Gras zum Gästehaus hinüber. Auf halbem Weg hielt ich inne. »Die Liste, die deine Mutter gerade gemacht hat? Die ist genau wie meine Ehe. Nur anders.«
    »Wie meinst du das?«, fragte sie, ihre Augen gegen die grelle Morgensonne abschirmend.
    »Diese verdammte Liste. Alles war, wie es zu sein hatte – eine heile Familie, Job, Gesundheit – ein Stillleben der perfekten Familie. Und alles auf der Wunschliste wurde zweimal abgehakt, wie zu Weihnachten. Die gleichen Freunde, die gleiche protestantische Erziehung, dasselbe College, ähnlich aufgewachsen, intaktes Elternhaus. Alles passte zusammen. Die Checkliste wurde immer länger, und ich konnte überall Häkchen setzen.« Ich machte Häkchen in die Luft, als hinge die Liste da.
    Sadie griff nach meiner Hand. »Ach, Ellie. Was stimmt denn dann nicht?«
    Ich musste meine Furcht jetzt in Worte fassen. »Es istnicht richtig greifbar. Ich habe einfach dieses schreckliche Gefühl in der Magengrube, als hätte man mir die Eingeweide verknotet, und gleichzeitig drückt mir jemand die Kehle zu. Rusty kommt ins Zimmer, und ich will rauslaufen. Er berührt mich, und ich weiche aus. Es ist furchtbar. Ich habe keine Ahnung, was mit mir los ist. Ich fühle mich … krank.«
    Sadie hielt ebenfalls inne. »Ich weiß.«
    »Was soll das heißen, du weißt?«
    »Ernsthaft? Ich sehe dich fast jeden Tag. Ich habe gesehen, wie du in einer Art Kokon des Schweigens verschwunden bist. Ich habe mitbekommen, wie Rusty dich anbrüllt und du ihn entschuldigst. Ich habe gesehen, dass du zu Hause geblieben bist, wenn du hättest ausgehen sollen. Denkst du, ich kriege nichts mit?«
    »Ich kann es noch nicht in Worten ausdrücken, aber ich weiß, dass irgendwas mit mir nicht stimmt. Ich kriege das wieder hin. Wenn ich nur in Ruhe herausfinden kann, was mit mir los ist, dann kann ich das wieder geradebiegen.«
    Sie legte ihre Hände auf meine Schulter. »Mit dir ist alles in Ordnung. Manchmal ist genug Schmerz einfach genug Schmerz.«
    Nach ein paar Schritten sah ich Sadie an. »Ich habe diese Worte noch nie laut ausgesprochen. Sie haben in mir festgesteckt. Vielleicht geht das kranke Gefühl jetzt weg.«
    Schweigend gingen wir weiter, auf der Veranda nahm sie Mutters Tagebuch vom Tisch, wo ich es liegen gelassen hatte. Das Buch fiel ihr aus der Hand, auf die Veranda, offen und mit den Seiten nach unten, die verknickten wie bei einer Frau, die in einem Tüllkleid hinfällt, sie wurden geknickt und gefaltet, zerdrückt und zerfleddert.
    Sie verzog das Gesicht. »Entschuldige.«
    Ich bückte mich und wollte das Buch aufheben, aber sie war schneller, nahm es vorsichtig hoch und wischte das Moos und die Blätter ab. Eine Seite flatterte heraus, vergilbt und quadratisch gefaltet, und setzte sich in einem Spalt zwischen den Bodenbrettern fest. Wir starrten beide darauf, als könnte das Blatt ein Eigenleben entwickeln und auf und davon schweben.
    »Das ist ein Bild, das ich mit neun gemalt habe.« Ich hob das Blatt auf, faltete es auseinander und zeigte Sadie das Datum oben rechts in der Ecke.
    »Was ist das?«
    »Es heißt Ein neues Aschenputtel .« Ich gab ihr das Bild.
    »Eine Buntstiftzeichung von Aschenputtel, die das Schloss mit einem Koffer verlässt. Du hast sogar den Schuh auf dem Boden gemalt.« Sie zeigte darauf. »Im Dreck. Als würde sie sagen: ›Vergesst es, ich bin weg.‹«
    »Ich fand das Bild in dem Buch furchtbar, wo Aschenputtel am kalten Kamin sitzt und sich die Augen ausheult. Ich habe immer gedacht: Du bist erwachsen, warum haust du nicht ab?« Einen Moment lang betrachtete ich das Bild. »Ich weiß noch, dass ich auch eine Geschichte dazu geschrieben habe, aber ich habe keine Ahnung, was aus der geworden ist.«
    »Und deine Mutter hat nur dieses eine Bild von dir behalten?«
    »Nein, sie hat eine ganze Kiste mit alten Zeichnungen, aber nur die hier lag im Tagebuch. Ich habe nach der Kiste gesucht, sie aber nicht

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