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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Callahan Henry
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Galerietisch und lachten über Mrs. Palo, die ein Bild aus der Dauerausstellung der Galerie gekauft hatte, im Glauben, es wäre von mir. Ob sie jemals dahinterkommen würde?
    Auch Mutter saß bei uns. »Nun, Liebes, das hätte gar nicht besser laufen können. Ein wundervoller Abend. Ganz und gar wundervoll. Und du siehst wunderhübsch aus.«
    »Danke, Mutter. Und herzlichen Glückwunsch zur History-Center-Ausstellung. Das hattest du mir gar nicht erzählt.«
    »Ich habe auf den richtigen Moment gewartet.«
    Ich nickte, während Sadie mir unter dem Tisch gegen das Schienbein trat.
    »Ach, und noch was …« Mutter klickte ihre manikürten Fingernägel gegeneinander, es klang wie die Klauen eines kleinen Tieres, das über einen Holzfußboden läuft. »Der Mann, der die Ausstellung kuratiert, hat mich gesterninterviewt. Ich konnte ihn erst nicht einordnen, aber dann habe ich mich erinnert – es war dieser alberne Exfreund von dir.«
    »Exfreund?«, fragte ich, während ich Portemonnaie und Handy einsammelte.
    »Ja, aus dem College. Hutch irgendwie was.«
    »Hutch O’Brien?«, fragte ich.
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich hatte ihn völlig vergessen.«
    Als von mir keine Antwort kam, drehte sie sich zu mir um. Ich wandte den Blick ab – ich wusste genau, was sie wollte. Wie immer. Sie wollte von mir hören, dass ich ihn ebenfalls völlig vergessen hatte.
    Das konnte ich beim besten Willen nicht sagen.
    In jener Nacht war Hutch in meinen Träumen. Wie Feuchtigkeit in der Sommerluft zog die Erinnerung an ihn und seinen Geruch durch die Dunkelheit und drang in die Traumwelt meines Schlafes ein, in der man keinen Einfluss darauf hat, wer oder was dort zum Leben erweckt wird. Ich sitze auf seinem Schoß, die Beine um seine Hüfte geschlungen. Sanft beiße ich in seine Unterlippe. Er sieht mir beim Malen zu, dann winkt er mir durch ein Flugzeugfenster zum Abschied. Er führt mich durch ein Haus mit vielen Zimmern.
    Als es dämmerte, stand ich auf und trank allein in der Küche Kaffee. Auch wenn es nur ein Traum gewesen war, ich hatte Hutch in mein Schlafzimmer gelassen und fühlte mich deswegen schuldig.
    Das Verlangen nach Hutch hatte mir einmal so tief in den Knochen gesteckt, dass es nicht nur Teil von mir, sondern zu meinem Ich geworden war. Aber die Frau war ichnicht mehr. Jetzt war ich seit über zwanzig Jahren mit Rusty Calvin verheiratet. Ich war Ehefrau. Und Mutter.
    Um die in der Nacht hervorgekrochenen alten Gefühle wieder loszuwerden, las ich im Atlanta Journal-Constitution einen Artikel über die Kunstausstellung. Ich nahm die Zeitung mit ins Schlafzimmer, um sie Rusty zu zeigen. Da er unter der Dusche stand, legte ich sie auf die Kommode. Dann griff ich zum Telefon und rief Mutter an. Sie ging nicht dran, also hinterließ ich ihr eine Nachricht, bedankte mich für den wunderbaren Abend und sagte ihr, sie solle sich den AJC besorgen.
    Hätte ich etwas anderes gesagt, wenn ich gewusst hätte, dass das meine letzte Nachricht an sie war?
    Bestimmt.
    Unter lautem Geschirrklappern räumte ich die Spülmaschine aus, als plötzlich ein Roter Kardinal seitwärts gegen das Küchenfenster flog und mit dem Flügel den Rahmen streifte, rote und braue Federn fielen auf das Fensterbrett. Ich stand da, atmete scharf ein und sah den Vogel zu Boden stürzen. In den zwanzig Jahren meines Ehelebens hatte ich unzählige Stunden an eben diesem Küchenfenster verbracht und hinausgeschaut, aber noch nie hatte ich einen Vogel gegen das Glas fliegen sehen.
    Das Fenster wies in den Garten – perfekt getrimmter Ausdruck gediegener Garten-und Grünflächenpflege. Unser Swimmingpool lag ruhig da, das Wasser spiegelglatt. Ein Topf mit Geranien war umgefallen, die Blumenerde bildete einen rotbraunen Fleck auf den cremefarbenen Travertinplatten um den Whirlpool herum. Viel zu spät hob ich die Hand gegen das Glas, als könnte ich den Vogel zum Abbiegen bewegen.
    Dann rannte ich aus der Küchentür auf den frisch gemähtenRasen, die Halme rutschten zwischen meine Fußsohlen und die Ledersandalen, weich und glitschig wie Würmer. Der Rote Kardinal lag auf dem Gras, seine Flügel zuckten nur, die schwarzen Augen waren weit geöffnet. War das ein sterbender Blick? Mein Herz schlug heftig, ich hockte mich einen knappen Meter neben dem Vogel auf den Rasen und sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. Er blinzelte mit den Augen, durch die dünnen Beine lief ein vergebliches Zittern.
    Ich saß da und spürte kaum, dass die Nässe des

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