Die Schwerelosen
ist?
Manchmal ist es leicht. Da ist die äußere Ähnlichkeit, besonders was die Ohren betrifft. Haben Sie von dem jungen Schriftsteller gehört, Samuel Beckett, der dieses Jahr die Erzählung
Assumption
veröffentlicht hat?
Nie gehört.
Und von dem Wiener Philosophen, der vor einigen Jahren ganz Verrücktes über Sprache und Logik publizierte? Geschrieben hatte er es im Krieg, in einem Schützengraben.
Klar, Ludwig Wittgenstein, der ist wirklich berühmt. »Die Welt ist alles, was der Fall ist.« Aber gelesen habe ich auch ihn nicht.
Na gut, macht nichts. Neulich ist mein Bruder mit der Zeitung nach Hause gekommen und hat mir, wie jeden Tag, die Rubriken Gesellschaft, Kultur und Politik vorgelesen. In der Politik war eine Meldung über Wittgenstein gedruckt und in der Kultur etwas über den jungen Beckett. Es kam mir so vor, als ob beide Artikel von derselben Person berichteten.
Ich fragte ihn, ob es Bilder von den beiden gäbe. Mein Bruder bestätigte meinen Verdacht: genau die gleichen Ohren. Wir haben die Geschichte einige Stunden lang gedreht und gewendet und kamen dann überein: Bei den beiden ist Ludwig das Gespenst und Samuel das Original.
Aber ist Wittgenstein nicht vielleicht älter?
Das ist unwichtig.
Wie bitte?
Verflixt noch mal, Herr Owen. Konnten Sie sich nicht an die Zukunft erinnern?
*
Ich hab den Mittleren geschimpft, weil er die Kleine in einem Schubfach des Kühlschranks versteckt hat.
*
Die Kinder kommen nie nach Philadelphia. Gestern habe ich ihnen einen Brief geschrieben, ihr Papa sei zufrieden und er blühe auf, in den Umschlag habe ich ein Foto gesteckt, das so jemand wie ein dummer Schüler von Marcel Duchamps gemacht hat, man sieht mich darauf versteckt hinter meinem Blumentopf mit den trockenen Ästen; ich, ein Neuromantiker, fett und beschlipst hinter meinem ewigen Schreibtisch eines Bürokratenpapas ohne Kinder an der Ostküste ohne Küste im Osten in diesem Land ohne Geschlecht.
Ich vermisse Euch hier,
Papa,
Gilberto.
(2. Januar 1951)
*
Der erste und letzte öffentliche Auftritt der Objetivicios war, wie vorauszusehen, ein Reinfall. Federico und ich suchten uns dafür einen richtig breiten Gang in der Untergrundbahnaus. Wir hatten einen kleinen Schemel dabei, auf den sich Federico während des Vortrags stellen sollte. Er würde auf Spanisch rezitieren, während ich daneben, etwas leiser, die Verse auf Englisch aufsagen würde. Wir hatten auch einen Hoover-Staubsauger dabei, der, wie wir übereingekommen waren, der Gegenstand war, um den dieses so dunkle Fragment von
That
kreiste. Als Zeichen für den Einsatz sollte er auf den Einschaltknopf des Hoover zeigen, und dann:
ICH
FEDERICO
In this kitchen saying:
In der Küche singend:
»Behoover us,
»Saug uns auf,
Deposit in eaves the things above
Bewahr die Dinge obenauf
Happening
und heftig Kling
From a wish-turning key
Vom Wünschelschlüssel
To fine infinite locusts
zur endlosen Languste
Damn the jeweled eel, this
Verdammt noch mal, geschmückter Aal,
accordion to fuck-us
Akkordeon, Vögelei
No one really owns us
Keiner besitzt uns,
who does not have us.
der uns nicht hält.
Time does not do us,
Nichts tut uns die Zeit,
We are above
wir stehen darüber
freeing
und herzen
Embracing while
und freien
Fearing
fürchten zuweilen
The guys who choke us
im Gras zu ersticken
So defend eternal men
So wehret den ewigen Männer
In troikas.«
der Troika.«
*
Es geschah, was Federico am meisten schmerzen musste: Keiner blieb auch nur stehen, um uns zuzusehen, und das, obwohl der Españolet die Verse auswendig gelernt hatte und exaltiert wie ein brünftiger Elefant deklamierte. Als ich merkte, dass niemand auf uns achtete, setzte ich mich auf den Boden und fing hinter dem Bänkchen an zu lesen – tat so als ob –, und ließ mir schon den Brief auf der Zunge zergehen, den ich Salvador Nono schreiben würde, die kleinen Muskelkrämpfe im Culet seines angehimmelten Andalusiers beschreiben, dieweil dieser seinen ganzen Körper und sein ganzes Charisma einsetzte, um die Aufmerksamkeit des idolentesten Menschenschlags der Welt zu gewinnen. Senkrechte Leute.
Federico hatte eine Tugend oder ich einen Fehler. Oder vielleicht war es auch umgekehrt. Er hatte keine Angst vor Lächerlichkeit, und mir grauste davor. Immer, wenn ich mich lächerlich gemacht hatte, habe ich am Ende Erklärungen abgegeben. Und es gibt nichts, was mir derart lästig ist, wie Erklärungen abzugeben. Ich verwickle mich, stolpere, verrenne mich.
Deshalb habe ich
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