Die Schwerelosen
sie mich an die Hand und führte mich bis zu einem Hotelzimmer in der Bowery, und, wie Männer sagen würden, sie hat mich als Jungfrau bekommen. Ich hörte auf, ein armer
cherry
zu sein, wie man damals sagte, und fühlte mich mit meinen Einsfünfundvierzig und allem drum und dran als Glückspilz.
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Mein Mann liest nichts mehr von dem, was ich schreibe, da bin ich mir sicher. Es ist ihm nicht mehr wichtig, es ist nicht mehr wichtig.
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Meine Exfrau will mit den Kindern nach Europa. Sie meint, dass es zur Bildung eines guten Kreolen gehört, mit Leuten umzugehen, die blonder und besser gekleidet sind als man selbst. Was sie nicht weiß, was sich die alte Schlange gar nicht vorstellen kann, ist, dass sie mit dieser Reise nichts als den kleinen Samen der Selbstverachtung in meinen Kindern säen wird. Ich dachte mir, dass die Aussicht darauf, das Familienvermögen mit Kleidern für Cocktailpartys zu verschleudern, die immer damit enden würden, dass sie einem Faulpelz die Beine öffnet, der darauf spezialisiert ist, geldigen Lateinamerikanerinnen Gedichte von Mallarmé ins Ohr zu säuseln, bei ihr eine Art von Schuldgefühl auslösen würde, und bat sie dar um, mir solange die Wohnung in Manhattan zu überlassen. Ich glaube, das ist keine gute Idee, Gilberto, sagte siemit dem anmaßenden Blick jener Frauen, die glauben, es sei ihre Pflicht, den Exmann zu erziehen.
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Merke: Das Grab von Owen in Philadelphia trägt kein Epitaph. Seine Familie will die sterblichen Reste nach El Rosario überführen lassen.
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Am schwersten sind die Wochenenden ohne die Kinder. Unter der Woche mache ich mir um sechs Uhr morgens einen Kaffee, den trinke ich beim Duschen, ich ziehe mich mit der Geduld und Resignation an, mit der ein Vater sein Kind anzieht, jeder Knopf ein Ritus, das Schlingen der Krawatte, die zeitaufwendigen Schnürsenkel. Ich lasse etwas für die Katzen da, aber das wird wohl eher das Gespenst fressen, denn welches lebendige Wesen wird schon ein Stück Seife oder einen Liter Kölnisch Wasser zu sich nehmen. Ich gehe ins Büro, gehe wieder hinaus, betrinke mich in bescheidenem Maße, allein oder mit irgendeinem Kollegen, und kehre zurück in die Finsternis meiner Wohnung; sie ist voller Dinge, die von den Gespenstern angeschleppt werden. Heute zum Beispiel ist in der Küche ein Fahrrad aufgetaucht und ein Bücherstapel auf dem Fensterbrett. Und so geht es jeden Tag. Manchmal schaffe ich es nachts nicht, den Anzug auszuziehen, ich schlafe an ein Federkissen geklammert, bis mein Wecker wieder sechs Uhr meldet und die Scheißyankees kommen, um mir die Augen zu lecken.
Samstags jedoch habe ich nicht die Krawatte als Halt und nicht die mentholträchtige Hoffnung der Rasierseife. Im Übrigen glaube ich, dass dies der Tag ist, an dem das Gespenst ausgeht, denn kein Geräusch ist zu hören, und die Wohnung fühlt sich leerer an als gewöhnlich. Auch ich gehe hinaus, um Zeitungen zu kaufen, die ich natürlich nicht mehr richtig lesen kann. Aber ich stapele sie zu Türmen, wie die Brüder Collyer, und bald werde ich eine Mauer errichtet haben, die meine Wohnung zweiteilt: In der Küche habe ich bereits drei Türme, fast so groß wie ich. Bevor ich heimgehe, kaufe ich einen Kaffee an der Ecke und kehre dann mit langsamen kurzen Schrittchen zurück, dehne die Zeit so lang wie möglich bis zur Rückkehr in diese Welt ohne Lachen oder Streit oder Kinderweinen und wünsche mir, dass wenigstens das Gespenst von seinem Spaziergang zurück ist. Wenn ich da bin, lege ich mich in meinen Ohrensessel und streichle die drei Katzen, die sich auf mich stürzen, als seien sie es, die Trost bräuchten.
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Ich bin wieder zu dieser Straßenecke gegangen, wollte Iselin sehen. Sie war nicht da. Ich ging noch zwei, drei, vier Mal hin. Ihre Arbeitskolleginnen wollten mir keine Telefonnummer, keine Adresse geben: Verlieb dich nicht, Junge. Beim fünften Vorstoß traf ich sie an ihrer Ecke. Ich nahm sie mit zum Essen in die Bowery. Danach hat sie mich mit ins Hotel genommen. Keine Wahl.
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Die drei Katzen wachsen mir ans Herz. Sie haben sich außerdem von einer sehr nützlichen und solidarischen Seite gezeigt. Ich stelle ihnen keine Seife und kein Kölnisch Wasser mehr hin, lasse ihnen nur die Reste meines Essens auf dem Tisch, und dann kommen sie und schlecken die Teller ab. Sie lecken die so gründlich, so sauber, dass man sie nicht mehr abspülen muss.
Neuerdings will ich die Katzen ständig streicheln. Ich liebe es, ihnen mit der Hand über den
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