Die Schwert-Legende
Nähe. Wir… wir haben es sogar sehen können.«
»Draußen?«
»Ja, Bruder.«
»Ich komme.« Yakup startete mit langen Sätzen. »Moment noch!« rief er von der Tür her Shao zu. »Ich werde etwas holen.« Er huschte zurück in die Halle, wo die Ninja Totenwache hielten und noch seine Waffen lagen. Mit ihnen kehrte er zu Shao zurück. »Wir nehmen einen kleinen Ausgang!« flüsterte er ihr zu.
Shao folgte Yakup in die Dunkelheit des Klosters hinein. Nicht überall brannten Lampen, in einigen Gängen war es finster. An den Wänden schienen die Schatten regelrecht gefroren zu sein. Die schmale Tür lag in einem Seitentrakt, wo sich auch die Kampfräume und die Duschen befanden.
Yakup öffnete sie sehr vorsichtig. Unter seinen linken Arm hatte er die Krone der Ninja geklemmt, über die Hände die Handschuhe gestreift. Auf den Außenseiten glänzten die roten Drachen, als wären sie mit Blut gemalt worden.
Der Wind war kühl, der gegen ihre Gesichter streifte. Sie besaßen beide einen guten Blick in die Ebene hinein, sogar bis hin zu den starren Wellen der Berge.
Dazwischen aber sahen sie es.
Eine blaue, unheimliche Wand. Ein Gebilde, das aus mächtigen Mauern, Türmen und Zinnen bestand, in Bodennähe umhüllt von dicken, ebenfalls dunkelblauen Nebel wölken.
Uber das Dach hinaus aber ragte etwas wie eine riesige Skulptur, in der Farbe nicht anders.
Ein Kopf, ein Gesicht, verdeckt bis über die Nase, als hätte sich jemand blaue Tücher davorgebunden.
Die Augen blieben frei.
Sie schauten wie grausam-kalte Ovale gegen das Kloster und über das Schloß hinein, wobei nicht zu erkennen war, ob das Schloß und Shimada nicht zusammengehörten. Vielleicht bildeten sie sogar eine Person.
Vor der Festung schwebten die schwarzen Totenvögel, als wäre ein Maler dabei, ständig ihre Umrisse zu erneuern. Sie bewegten sich nur sacht, manche überhaupt nicht. Die standen in der Luft wie an langen Bändern hängend.
»Er ist da!« flüsterte Yakup. »Er hat es tatsächlich gewagt, zu uns zu kommen.«
»Was willst du tun?«
Yakup Yalcinkaya lächelte. »Soll ich denn etwas tun?«
»Ich kenne dich«, flüsterte Shao. »Du kannst es nicht hinnehmen, daß Shimada in dein Reich eingedrungen ist und sich dabei noch so offen präsentiert.«
»Das stimmt auch.«
»Sei vorsichtig«, warnte sie. »Sei nur vorsichtig, Yakup! Kr kann bewußt provozieren. Er will dich ausschalten, er will…« Shao sprach bereits ins Leere.
Yakup war unsichtbar geworden!
***
Das wußte Shao, das wußte auch er. Nur fühlte sich der Ninja nicht wie ein Unsichtbarer. Es hatte sich für ihn nichts verändert. Yakup schwebte nicht über dem Boden, sein Körper war auch nicht in Atome oder Moleküle aufgelöst worden, um sich mit der Luft zu vermischen. Nein, er kam sich vor wie ein normaler Mensch, nur eben, daß er für andere nicht mehr sichtbar war.
Shao starrte in die Leere hinein. Sie konnte nur mehr ahnen, wo sich Yakup befand. Doch sie ging davon aus, daß sich der Ninja auf das Schloß zubewegte.
Das war gefährlich! Nicht grundlos hatten sie über die Festung gesprochen, die so grausam und unheimlich sein konnte. Wer sich einmal in ihr verirrt hatte, kam nicht wieder heraus.
»Yakup…!«
Ihr Ruf verwehte. Bestimmt war er gehört worden, doch der Ninja ließ sich von seinem Entschluß nicht abbringen. Daß Shimada vor seinem Kloster erschienen war, empfand er als eine persönliche Beleidigung. Zuerst dachte Shao, es wäre der Wind, der raunend über das Mauerwerk strich, dann hörte sie genauer hin und erkannte die Stimmen der übrigen Ninja. Die Männer standen an den Fenstern und beobachteten die Festung. Auch sie wußten nicht, was sie unternehmen sollten.
Leise Schritte näherten sich der Chinesin. Wie ein Geist erschien Ali. Shao sah ihn, als sie sich umdrehte. Trotz der Dunkelheit erkannte sie die Sorgenfalten auf dem Gesicht des Jungen.
»Er ist gegangen«, erklärte sie.
Ali schaltete schnell. »Mit der Krone?«
»Ja.«
Der dunkelhaarige Junge schluckte. »Das kann so gefährlich werden«, sagte er leise. »Shimada ist grausam, seine Festung ist eine Falle. Yakup wird keine Chance haben.«
»Er konnte nicht anders handeln, denn er wäre sich wie ein Feigling vorgekommen, wenn er länger hier gewartet hätte. Das ist eben das Schlimme daran. Shimada schafft es immer wieder, Menschen zu Handlungen hinzureißen, die sie eigentlich bereuen müßten.«
»Was willst du tun? Hinterher?«
»Ich weiß es noch
Weitere Kostenlose Bücher