Die Schwerter von Zinjaban
durch ein Wunder auf seinem wildgewordenen Reittier.
Durch das Wendemanöver des Ausreißers konnten Reith und Alicia ein wenig Boden gutmachen; doch das Trommeln der sechs Hufpaare hinter ihm spornte ihn zu noch größerer Geschwindigkeit an. Als sie das Ende des Platzes erreichten, lagen Reith und Alicia eine Länge hinter White; eine weitere Länge dahinter folgte der Dasht.
Zwischen dem Exerzierplatz und der etwa einen Kilometer entfernten Stadtmauer erstreckte sich eine Vorstadt mit schmalen Straßen und geschäftigen Marktplätzen. »Wenn er in das Getümmel reingerät«, keuchte Reith, »bringt er am Ende noch jemanden um!«
»Kannst du einen wildgewordenen Aya zur Räson bringen?« fragte Alicia.
»Keine Ahnung – hab’s noch nie versucht. Bleib du lieber zurück!«
Whites Aya galoppierte mit donnerndem Hufschlag in die Hauptstraße hinein, direkt auf einen von zwei Shaihanen gezogenen großen Karren zu.
»Jack!« brüllte Reith. »Schreien Sie ’ast! Das ist das Kommando für ›Stopp‹!«
White schrie irgend etwas, aber bei dem Getöse, das die donnernden Hufe des Ayas und das Kreischen der erschrockenen Krishnaner verursachten, die panikartig aus dem Weg stoben, konnte Reith nichts verstehen. Ein Frontalzusammenstoß mit dem Karren schien jetzt unvermeidlich. Doch Whites Aya kriegte gerade noch im letzten Moment die Kurve und schlitterte halsbrecherisch in eine enge Seitenstraße – mit der Folge, dass er gleich mehrere Marktstände wegrasierte, deren Auslagen wie bunte Liebesperlen über die Straße kullerten.
Durch gewagtes Anschneiden der Kurve konnte Reith den Vorsprung des Ausreißers wieder ein wenig verkürzen. Mit einem wilden Tritt in die Seite spornte er seinen Aya zu höchstem Tempo an, bis er Seite an Seite mit Whites Aya war. Das Problem war nur, dass ihm in der engen, von Marktständen gesäumten Straße der Platz für das Manöver fehlte, das er vorhatte. Da sah er plötzlich Alicia, die sich auf der linken Seite ebenfalls neben Whites Aya geschoben hatte. Sie lehnte sich aus dem Sattel und versuchte, das ihr zugewandte Horn von Whites Aya zu ergreifen.
»Zurück, Lish!« schrie Reith. »Du bringst dich um!«
Statt zu gehorchen, warf sich Alicia aus dem Sattel und packte Whites Aya beim Horn. Der aber dachte gar nicht ans Anhalten, sondern stürmte weiter, Alicias Stiefel durch den Dreck hinter sich her schleifend.
Eine Sekunde später lehnte sich auch Reith herüber, packte das andere Horn des wildgewordenen Reittiers und schwang sich aus dem Sattel. Sobald seine Füße Kontakt mit dem Boden hatten, ließ er sich nach hinten fallen und stemmte sich mit den Absätzen gegen die Laufrichtung des Ayas, wobei er zwei tiefe Furchen in den Straßendreck zog. Die vereinte Kraftanstrengung brachte den Aya abrupt zum Stehen. White flog wie von einem Katapult geschleudert kopfüber aus dem Sattel, schlug in der Luft einen etwas verunglückten Salto und landete mit dem Hintern in einem großen Bottich voller pflaumenartiger krishnanischer Früchte.
Von hinten brüllte Dasht Gilan aus dem Sattel Befehle. Der Leibwächter saß ab, drängte sich an Whites Aya vorbei, der noch immer von Alicia und Reith festgehalten wurde, und beugte sich über den abgeworfenen Reiter.
»Meine Hoheit bedauert Ihren Unfall zutiefst!« schrie Gilan. »Sind Sie verletzt?«
Der über und über mit purpurfarbenem Ilá-Saft bekleckerte White setzte sich auf und rieb sich die linke Schulter. »Jedenfalls scheint nichts gebrochen zu sein«, murmelte er.
Der Leibwächter streckte ihm die Hand hin und zog ihn auf die Beine. Da stand er nun wie ein begossener Pudel inmitten der Überreste des zerborstenen Bottichs. Die Krishnaner, die sich um den Unfallort drängelten, zeterten bereits. »Der Fremdling hat meine Ware ruiniert!« »Ich fordere Schadensersatz!« »Gerechtigkeit, Herr! Ich verlange Gerechtigkeit!«
»Später, guter Mann!« blaffte Dasht Gilan. »Wer hat einen Lappen?«
Irgend jemand brachte ein Handtuch, mit dem der Leibwächter hastig den klebrigen Fruchtsaft von Whites Transmundane wischte. Jetzt erschien Ordway auf dem Plan, immer noch zu Aya und begleitet von zwei Stallknechten. »Also wirklich, Jack!« krähte er. »Du siehst vielleicht aus! Wenn du dich im Spiegel sehen könntest. Was in aller Welt ist denn passiert?«
Gilan wandte sich Reith und Alicia zu. »Sind Sie wohlbehalten? Keine Schäden?«
»Nein, bis auf meine armen Stiefel – die sind hin«, erklärte
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