Die Schwerter von Zinjaban
Vergleich mit dem in Mishe.«
»Einen Augenblick bitte noch, Meister Ries«, sagte der Priester. »Wie Ihr wisst, erlangt Sifads Komet heute Nacht seine höchste Leuchtkraft.«
»Das hatte ich ganz vergessen«, gab Reith zu. »Der Himmel war in der letzten Zeit immer so bedeckt, dass ich diesen Kometen überhaupt nie gesehen habe.«
»Der Himmel hat sich in dem Maße aufgeklärt, wie der Abend den Tag verhüllt. Sagt mir bitte, was für eine Meinung habt ihr gelehrten Terraner von Kometen? Die Astrologen machen großes Aufhebens darob: sie sagen, sie überbrächten Botschaften von den Göttern. Einige würden den Untergang dieser Welt voraussagen; andere tausend Jahre Frieden und Überfluss. Was denkt ihr?«
»Terranische Raumschiffe«, erwiderte Reith, »haben festgestellt, dass Kometen nichts weiter sind als Steine, Staub und gefrorenes Wasser. Wir betrachten sie als Naturphänomene, nicht als Signale von den unsichtbaren Mächten.« Er hielt inne; ihm war plötzlich ein Gedanke gekommen. »Ist nicht die Plattform auf Eurem Tempel die höchste Erhebung Vasabáds?«
»So ist es. Der Kult, der den Tempel besaß, bevor wir Diener Bákhs ihn erwarben, nutzte ihn für seine astrologischen Observationen.«
Mit einem arglosen Lächeln fragte Reith: »Hättet Ihr etwas dagegen, wenn wir nach Einbruch der Dunkelheit zurückkämen, um den Kometen von der Plattform aus zu betrachten?«
»Es wird mir eine Freude sein, die Tempelpforten für Euch aufzuschließen, Meister Ries«, sagte der betagte Priester. »Bitte findet Euch binnen einer Stunde nach Roqirs Untergang hier ein und pocht dreimal an die Pforte.«
Reith übersetzte diesen Wortwechsel nicht für seine männlichen Klienten. Er war weniger daran interessiert, den Kometen zu beobachten, als einen Augenblick mit Alicia allein zu sein, obwohl er sich noch nicht schlüssig darüber war, was er ihr eigentlich sagen wollte. Als sie zurück zum Gasthof gingen, war er so sehr darin vertieft, sich kleine Reden auszudenken und wieder zu verwerfen, dass er Ordways Fehlen erst bemerkte, als sie kurz vor dem Gasthof waren und Alicia fragte: »Wo steckt eigentlich Cyril?«
»Er ist noch einmal in den Tempel gegangen«, klärte White sie auf. »Er meinte, wir sollten ruhig schon mal weitergehen; er würde den Rückweg auch allein finden.«
»Was hat dieser Trottel jetzt schon wieder vor?« knurrte Reith, von bösen Vorahnungen beschlichen.
»Da ist er!« rief Alicia. »Jemand jagt ihn!«
Ordway kam im Schweinsgalopp um die Ecke geflitzt, verfolgt von einer Meute keulen- und messerschwingender Krishnaner, die Drohungen und Verwünschungen hinter ihm her brüllten. Ordway erreichte Reith, Alicia und White knapp vor seinen Verfolgern. Er duckte sich hinter Reith und krallte sich an dessen Rockschößen fest, ihn gleichsam als Schutzschild benutzend.
Reith legte die Hand auf den Knauf seines Schwertes, aber der gesunde Menschenverstand sagte ihm, dass er besser daran tat, es nicht zu zücken. Einen oder zwei Krishnaner konnte er vielleicht noch niederstrecken, aber gegen eine solche Übermacht stand er auf verlorenem Posten. Er setzte eine gebieterische Miene auf und hob den Arm.
»Ruhe bitte!« donnerte er. Der Mob kreischte weiter: »… unsere Jungfer zart vergewaltigt …«
»… dreckiger Dazg … schindet den Barbaren bei lebendigem Leib …«
Als Reith erneut »Ruhe!« brüllte, abermals fruchtlos, bahnte sich der alte Bákh-Priester einen Weg durch die Meute nach vorn, mit dem Schwert durch die Luft fuchtelnd, das die Altardienerin bei dem Ritual benutzt hatte. Er versuchte, an den hinter Reith kauernden Ordway heranzukommen. White und Alicia standen unschlüssig und mit besorgter Miene am Rande der Meute, die Sticheleien und Drohungen ignorierend.
Reith beugte sich hinunter zu Hochwürden Vizrams Ohr. »Sagt ihnen, sie sollen ruhig sein, damit ich erfahren kann, was geschehen ist!«
Der Priester bemühte sich, die Meute zu beruhigen – mit ebenso wenig Erfolg wie zuvor Reith. Einer plötzlichen Eingebung folgend, rief Reith: »Singt!« Und er selbst stimmte den vertrauten Hymnus an:
»Vertrauet auf Bákh, der alle Dinge geschaffen;
Haltet fest am Glauben; fürchtet euch nicht …«
Nach der ersten Zeile schloss sich der Priester ihm an. Immer mehr aus der Meute stimmten mit ein, bis schließlich alle sangen. In der Pause am Ende der Strophe rief Reith: »Wenn ihr guten Leute jetzt alle still seid, werden wir dieser Sache auf den Grund gehen. Was
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