Die Schwester der Braut
dir glätten, dann hängt es dir nicht im Gesicht. Du wirst aussehen wie Roselyn Sánchez.« Damit verschwand Ally schon im Bad, um das Glätteisen zu holen.
Alex verdrehte die Augen. »Eine einsachtzig große Roselyn Sánchez mit keinerlei erwähnenswerten Rundungen«, murmelte sie und drehte sich zur Seite, so dass sie einen Blick auf ihren Allerwertesten werfen konnte.
Alex mochte ihre Figur. Sie arbeitete hart dafür, doch jedes Mal, wenn sie ihre Schwester ansah, fühlte sie sich als wäre sie unzureichend als Latina. Ihre Figur war nicht ausladend weiblich, ihr Haar nicht voll und glänzend, außerdem fehlte ihr jegliches Gefühl für Rhythmus. Was nicht bedeutete, dass sie nicht tanzen konnte, doch sie tanzte nicht mit duende , mit hispanischer Leidenschaft. Das war etwas, das sie sich schon von ihrer frühen Jugend an hatte anhören müssen, vor allem von der Familie ihres Vaters. Sie bewegte sich wie ihre Mutter, sie sah zu sehr aus wie ihre Mutter, alles an ihr war viel zu amerikanisch.
Natürlich empfanden Amerikaner das genau umgekehrt: Für sie war sie eine Latina. Alex fand diese Bezeichnungen unsinnig, aber sie waren nur schwer abzuschütteln, wenn man sie regelmäßig zu hören bekam. Und sie wusste, dass die Hochzeit ihrer Schwester ein erneuter Anlass sein würde, bei dem ihre weibliche Verwandtschaft auch darüber reden würde, besonders die Schwestern ihres Vaters.
Alicia kam mit dem Glätteisen zurück ins Zimmer.
Alex fügte sich in ihr Schicksal. Sie schüttelte den Kopf über sich selbst, weil es ihr so viel ausmachte, was ihre Familie über sie dachte, was Alicia dachte. Allerdings war es auch Allys Hochzeit, die sie an diesem Wochenende feiern würden, und es tat Alex nicht wirklich weh, ihr in kleinen Dingen nachzugeben. Schließlich hatte die Braut immer recht. Oder war es die Mutter der Braut? Alex schmunzelte, während sie sich von ihrer Schwester die Haare glattziehen ließ.
Sie waren fast eine halbe Stunde zu spät.
Beim Verlassen des Hauses hatte Alicia ihren Verlobten angerufen. Er verzieh ihr natürlich sofort. Rick schien ein netter Kerl zu sein, von dem wenigen, was Alex bisher von ihm gesehen und gehört hatte. Sie würde ihn an diesem Abend besser kennenlernen, deshalb fühlte sie auch keine Veranlassung, das Thema im Auto auf ihn oder die Hochzeit zu lenken.
Stattdessen fragte sie ihre Schwester, was sie schon interessiert hatte, seit sie am vorigen Nachmittag die Tür geöffnet und die Nachbarin ihrer Mutter vorgefunden hatte.
»Seit wann sind Mom und Dana . . . Lincoln eigentlich so dicke Freundinnen? Ich dachte immer, sie würden sich nicht verstehen.«
Alicia lenkte ihren VW Beetle durch die abendlichen Straßen von Dennizville und sah nur kurz zu ihrer Schwester hinüber, die ihren Sitz ganz nach hinten hatte schieben müssen, um genug Platz für ihre langen Beine zu haben. »Ich glaube seit dem Tod ihres Sohnes . . . Jason?«
»Joshua«, berichtigte Alex.
»Richtig, Joshua. Mom hat ihr damals geholfen und jetzt mit der Scheidung . . . nun, Mom verbringt viel Zeit drüben, und Dana kommt auch viel rüber. Ich weiß nicht, was Mom das bringt, sich immer die Probleme anderer Leute anzuhören, aber sie scheint Dana zu mögen. Ich finde sie ein bisschen zu überdreht. Es heißt, ihr Mann habe schon seit Ewigkeiten eine Geliebte, und Dana habe es noch nicht einmal bemerkt. Vielleicht hat es sie auch einfach nicht interessiert.«
Bei diesem Redeschwall schwang eine gewisse Abneigung in der Stimme ihrer Schwester. Einmal mehr fühlte Alex sich an ihren verstorbenen Vater erinnert; er hatte auch nichts für die Nachbarn übrig gehabt, auch wenn seine Abneigung sich eher gegen Brian Lincoln gerichtet hatte als gegen dessen Frau.
»Sie hat es im Moment nicht leicht. Und du kennst Mom; sie hilft, wo sie kann. Ich habe Dana heute bei Finnigan’s getroffen. Sie wirkte traurig, aber nicht so, als würde sie nicht klarkommen. Wo arbeitet sie gleich?« Alex hatte Dana an diesem Mittag nicht gefragt, weil sie sich ziemlich sicher war, dass sie es eigentlich wissen sollte.
»Bei Giordelli’s . Das Schickimicki-Restaurant auf der Lexington«, erwiderte Alicia ungerührt. Sie waren bei dem Chinesen angekommen, wo sie sich mit Rick treffen wollten. Die jüngere der Schwestern sah sich nach einem Parkplatz um.
»Ist es nett dort?«, fragte Alex.
»Zu schnieke, wenn du mich fragst. Ein Jackett-und-Krawatte-Laden. Rick mag es gern rustikaler – er kommt aus
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