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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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mehr an. Ich mußte mir nicht in Erinnerung rufen, was sie mir geschrieben hatte. Triumph sprach aus jeder Zeile. Mein Leben als Favoritin am englischen Hof war zu Ende. |289| Anne hatte gewonnen, ich verloren. Für sie würde ein neues Leben beginnen, sie würde sein, was sie bereits in der Unterschrift gesagt hatte: Anne, Königin von England. Und ich wäre wieder ein Nichts.
    »Nun ist es soweit«, flüsterte ich vor mich hin. Ich reichte Tom den Brief und sah zu, wie er ihn mitten in die Glut schob. Das Papier krümmte sich in der Hitze, wurde braun, dann schwarz. Doch noch immer konnte ich die Worte lesen:
Ich habe die alte Ordnung auf den Kopf gestellt. Nichts wird in diesem Land für eine Frau je wieder so sein wie früher.
    Ich brauchte den Brief nicht, um mich an den triumphierenden Ton zu erinnern. Sie hatte recht. Nichts würde in diesem Land für eine Frau je wieder so sein wie früher. Keine Ehefrau wäre ihrer Ehe mehr sicher, wie gehorsam, wie liebevoll sie auch sein mochte. Denn jeder würde wissen: Wenn Königin Katherine von England verstoßen werden konnte, dann konnte das gleiche jeder anderen widerfahren.
    Plötzlich loderte der Brief hell auf und verbrannte zu einem Häufchen weicher weißer Asche. Tom stocherte im Feuer herum und zerkrümelte ihn zu Staub.
    »Danke«, sagte ich. »In der Küche wird man Euch zu essen geben.« Ich reichte ihm eine Silbermünze. Er verbeugte sich und verließ mich.
    »Königin Anne.« Ich lauschte den Worten nach. »Königin Anne von England.«
     
    Die Kinder hielten gerade ihren Vormittagschlaf, als ich aus dem hohen Fenster einen Reiter kommen sah. Ich eilte nach unten und erwartete George anzutreffen. Doch das Pferd, das in den Burghof sprengte, trug meinen Mann William. Er lächelte angesichts meiner Überraschung.
    »Gebt mir nicht die Schuld daran, daß ich schlechte Nachrichten überbringe«.
    »Anne?« fragte ich.
    Er nickte. »Ausmanövriert.«
    Ich führte ihn in den Großen Saal und hieß ihn sich auf den Stuhl meiner Großmutter beim Kamin niederlassen.
    |290| Nachdem ich mich versichert hatte, daß die Tür wirklich geschlossen war, forderte ich ihn auf: »Erzählt.«
    »Erinnert Ihr Euch an Francisco Felipez, den Bediensteten der Königin?«
    Ich nickte.
    »Er hat um sicheres Geleit von Dover nach Spanien gebeten, doch das war eine Finte. Er trug einen Brief der Königin an ihren Neffen bei sich und hat den König überlistet. Noch am gleichen Morgen ist er nämlich mit einem Schiff von London aus auf dem Seeweg nach Spanien gereist. Bis man begriffen hatte, daß er entkommen war, war er schon über alle Berge. Er überbrachte den Brief der Königin an Carlos von Spanien, und jetzt ist die Hölle los.«
    Mir klopfte das Herz bis zum Halse. »Inwiefern?«
    »Wolsey ist noch auf dem Kontinent, aber der Papst ist gewarnt und will ihn nicht als seinen Stellvertreter benennen. Keiner der Kardinäle unterstützt ihn, sogar die Friedensverhandlungen sind jetzt gescheitert. Wir liegen mit Spanien wieder im Kriegszustand. Henry hat seinen Sekretär eiligst nach Orvieto geschickt, wo der Papst gefangensitzt. Er will ihn bitten, die Ehe selbst zu annullieren, so daß er, Henry, jede Frau heiraten kann, nach der es ihn gelüstet, sogar eine, deren Schwester er schon besessen hat, sogar eine, die er bereits besessen hat.«
    »Er bekommt die Erlaubnis, eine Frau zu heiraten, die er besessen hat? Großer Gott, doch nicht etwa mich?«
    William lachte schallend. »Nein, Anne. Er macht Anstalten, sie schon vor der Ehe in sein Bett zu nehmen. Die Boleyn-Mädchen kommen bei dieser Sache nicht gerade gut weg, nicht wahr?«
    »Und?«
    »Jetzt liegt alles in den Händen des Heiligen Vaters, der sich in der Obhut des königlich spanischen Neffen in der Burg von Orvieto ausruht. Und es ist wohl höchst unwahrscheinlich – denkst du nicht auch? –, daß er eine päpstliche Bulle verfaßt, mit der er das unkeuscheste Benehmen absegnet, das man sich nur denken kann: mit einer Frau zu schlafen, mit ihrer Schwester zu schlafen |291| und dann eine der beiden zu heiraten. Noch dazu, wenn derjenige eine rechtmäßige Ehefrau hat, deren Ruf unbescholten ist und deren Neffe in Europa über viel Macht verfügt.«
    Ich schnaufte. »Also hat die Königin gewonnen?«
    Er nickte. »Wieder einmal.«
    »Wie geht es Anne?«
    »Sie ist bezaubernd«, antwortete er. »Steht morgens als erste auf, singt und lacht den lieben langen Tag, hört frühmorgens mit dem König die Messe, reitet dann

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